Koks und Nutten

Bekanntermaßen schreibe ich ja nur Romane, um mir Koks und Nutten zu finanzieren. Regelmäßig gönne ich mir aber auch Schampus zum Frühstück (jenes Frühstück, das ich in aller Herrgottsfrühe, also gegen 15 Uhr, vom knackigen Popo eines 18-jährigen männlichen Sexworkers durch die Nase sniefe).

 

ZU LANGSAM

Foto: Alexas Fotos/unsplash

Neulich habe ich auf Facebook gepostet, dass in Bälde die Fortsetzung zu DER WOLF herauskommt. Daraufhin wurde ich öffentlich von einer Leserin beleidigt, weil ich so lange gebraucht habe. »Andere Autoren schaffen das doch auch. Wenn Sie das nicht können, suchen Sie sich einen anderen Job!«
*Blockgeräusch*
Ich kann halt nicht schneller schreiben, wegen der ganzen Partyexzesse und Orgien, die meinen zugedröhnten Alltag bestimmen. Frautorin muss Prioritäten setzen.

Es gibt ja die super organisierten Berufsschreiber, die jeden Tag exakt 3.000 Wörter schreiben und pünktlich um 17:00 den Rechner ausschalten, um zum Power-Yoga zu gehen. Und es gibt die manischen Schreiber wie mich, die sich kopfüber in ihr Projekt stürzen und erst nach Monaten mit irrem Blick und Yak-Frisur wieder in die Realität zurückkehren (und sich fragen, wo die ganzen männlichen Stripper herkommen, die sich auf dem Sofa gegenseitig Schampus aus dem Bauchnabel lecken). Oh, es ist schon Sommer?

 

ZU DICK

Vor einigen Wochen schrieb mir eine andere Leserin per Email: »Leider finde ich Ihre Bücher viel zu dick. Man braucht mehrere Tage, um sie zu lesen. Daher werde ich sie nicht mehr kaufen.«
Auch auf Instagram lese ich des Öfteren: »Ich kaufe keine Bücher über 400 Seiten, die sind mir zu langatmig.« Oder »Catalina Wer? Nee, so dicke Wälzer lese ich nicht.«*
Kann man nix machen. Ist halt so.

Foto: Romy Vreeswijk/unsplash

Zurück zu Jules:
Ich hatte riesigen Bock auf die abgründige Story, auch wenn sie mir den letzten Nerv geraubt hat. Wir beide haben sehr viel Zeit miteinander verbracht, höhö. Mein Männe, wie man sich denken kann, hasst Jules von Herzen,
Buch ist jetzt fertig.
Mein Formatierungsprogramm für den Buchsatz sagt mir, dass das Taschenbuch über 840 Seiten haben wird, wenn es in lesbarer Schrift gedruckt werden soll.
Buch zu dick.
Tolle Wurst.

 

Druckerei 1 sagt zu Jules’ Manuskript: »Nee, Taschenbücher drucken wir nur bis 460 Seiten. Und Cover mit Silberdruck gibt’s bei uns schon mal gar nicht. Aber wir machen auch hübsche Lesezeichen! Wollen Sie eines?«
(Vielleicht erinnert ihr euch: Teil eins von DER WOLF ist mit schickem Silberdruck auf dem Cover veredelt worden.)
Druckerei 2 sagt: »Joah, 800nochwas Seiten geht. Kostet aber pro Exemplar 33,-€, Sie kleine Koksnase. Ach, und Silberdruck gibt’s bei uns nicht.«
Druckerei 3 sagt: »Silberdruck: Null Problemo. Aber wir drucken nur bis 740 Seiten. Ist dann aber auch bezahlbar.«

 

Taschenbücher werden mit Klebebindung gebunden. Das geht nur bis zu einer gewissen Rückenbreite, ohne dass die Blätter beim Öffnen einzeln heraus segeln. Oder man nimmt Spezialpapier mit Spezialklebebindung from Hell. Einige spezielle Spezialdruckereien bieten so etwas an. Die kann ich mir aber nicht leisten.
Ab 800 Seiten ist so ein dicker gedruckter Klopper auch nicht mehr ganz so bequem zu lesen, ohne dass der Rücken bricht, der Text in der Falzmitte verschwindet oder man sich beim Lesen im Bett aus Versehen selbst damit erschlägt.
Dann ist da noch der Buchhandel, der sich lachend auf dem Boden kringelt, wenn er den dicken Klopper einer deutschen Indie-Autorin in sein Regal stellen soll (am liebsten bitte neben den neuen Stephen King, ja?). Das machen die nicht einmal dann, wenn ich verstohlen ein paar Tüten Koks über die Ladentheke schiebe.
Der Distributor will meine gedruckten Ziegelsteine auch nicht einlagern. »Kommen Sie wieder, wenn Sie was Handlicheres geschrieben haben.«

 

Frautorin hat jetzt folgende Möglichkeiten:
1. Hingehen und die Schriftgröße reduzieren, um Seiten einzusparen. Dann muss man halt eine Lupe beilegen (und natürlich ein Gramm Koks, sonst hagelt’s miese Rezensionen).
2. Das Manuskript radikal kürzen (»Es war eine laue Sommernacht …« – Sexszene – Happy End. Fertig. Der Leser kann sich die zugehörige Story selbst ausdenken).
Hmmm, oder ich streiche einfach alle E im Text (das E ist der am häufigsten verwendete Buchstabe), und schon wird aus: »Es war eine laue Sommernacht« das kongeniale: »S war in lau Sommrnacht …«
3. Ich verzichte einfach auf Prints und bringe nur ein Ebook heraus (weil Ebooks ja unendlich dick sein dürfen). Dann kann ich zwar nur noch mit Papiertüte über den Kopf vor die Tür gehen, weil sämtliche Buchliebhaber sich zusammenrotten und ein Kopfgeld auf mich aussetzen, aber das Leben ist halt kein Ponyhof, Frautorin.
Oberstes Gesetz: Ein Buch, dass nicht gedruckt erhältlich ist, existiert nicht. Punkt.
4. Ich teile das Manuskript in zwei Teile.
5. Oder ich lasse mich auf einen anderen Job umschulen. Koksdealende Huren zum Beispiel müssen sich mit solchen Luxusproblemen nicht herumschlagen.

 

Vor dem gleichen Dilemma stand ich ja schon bei SILENT, das dann ebenfalls als Dilogie erschienen ist.
Long Story short: Niemand ist damals tot umgefallen. Beschwert hat sich tatsächlich auch niemand.
Ich habe mich daher für Option 4 entschieden (obwohl Option 5 auch ihre Reize hat …).
Die Fortsetzung von DER WOLF ist jetzt zwei Buch … Buchsens … Bücher geworden. Beide Romane haben jeweils einen Umfang von weit über 400 Seiten.

 

ZU SCHNELL

Foto: Keith Luke/unsplash

Prompt wird mir mitgeteilt, dass sich eine Leserin in einer privaten Facebook-Gruppe (leider nicht bei mir persönlich) böse aufgeregt hat: »Miese Geldmacherei! Und überhaupt hat die Frautorin nicht lange genug an den Romanen geschrieben!!! Zwei Monate für je zwei Romane… Die Bücher sind Schrott! Eins11!« (sinngemäß).
Ich bewundere die Dame für ihre Fähigkeit, Romane kritisieren zu können, die noch gar nicht erschienen sind. Das ist der neue Next Level Shit, von dem sich Denis Scheck (jener Literaturkritiker, der einst einen Fitzek vor laufender Kamera verbrannt hat) mal eine Scheibe abschneiden kann: Bücher niedermachen, noch bevor sie auf dem Markt sind! Nicht, dass die bekiffte Frautorin sich noch ermutigt fühlt, hastig ein weiteres Buch herunterzutippen.

 

Tatsächlich habe ich nur insgesamt vier Monate an den beiden Romanen (die eigentlich ein Roman werden sollten) geschrieben.
Hexenwerk, gell?
Schön wär’s. Das Schreiben eines Buches besteht nämlich nicht nur aus Schreiben. Vor dem Tippen kommen die kruden Ideen, die schlaflosen Nächte, die gefüllten Notizbücher und die tausend Charactersheets (damit kann man aber nicht so gut angeben wie mit einem Bild von der Frautorin, die in seidenen Morgenmantel und mit wirrem Haar manisch in die Tasten haut, während Koksreste unter ihren Nasenlöchern kleben).
Bevor ich mit dem eigentlichen Schreiben zu Jules’ Geschichte angefangen habe, habe ich erst mal 5 oder 6 Wochen lang recherchiert. Ich habe das Giganto-Standardwerk Gewalt und Mitgefühl durchgeackert, sämtliche Bücher von Lydia Benecke und einen Haufen psychologischer Fachartikel mit massenhaft Fremwörtern gelesen – außerdem beide Teile von Blake. Ich habe YouTube-Videos angeschaut (jetzt weiß ich unter anderem, dass ich in diesem Monat sterben werde, weil ich geimpft worden bin) und Fachleute mit richtig bescheuerten Fragen belästigt, bis sie mich blockiert haben. Ich habe sogar einen bekannten Psychotherapeuten kennengelernt, der auf der Hare-Skala selbst alle Merkmale eines Psychopathen aufweist. Ich denke, ich werde mich bei ihm in Behandlung begeben.

 

Um recherchieren zu können, musste ich aber erst mal wissen, was ich wissen will. Das heißt, ich brauche einen Plot.
Der Plot zu Jules’ Geschichte ist bereits im letzten Jahr entstanden, gleich nach DIE FARBE DEINER LÜGEN, lose über einen Zeitraum von roundabout 2-3 Monaten hinweg (Notizbücher, Notizbücher …).
Anschließend – weil: Drama kann ich – hatte ich einen echt fiesen Unfall und das Schreiben spielte für eine lange Zeit keine Rolle in meinem Dasein.
Danach habe ich mich an KILLING SAINT gesetzt, weil die Bullhead-Fans gedroht haben, mir den Wendler und die Nena im Doppelpack auf den Hals zu hetzen, wenn nicht bald …
Im März/April 2021 konnte ich endlich mit der Recherche zum Plot von Jules’ Story anfangen. Im Mai 2021 begann ich mit dem, was Autoren angeblich die ganze Zeit tun: Tippen. Tippen. Tippen. Löschen. Neu schreiben. Tippen. Nachts aufschrecken und zum Rechner tappsen. Irgendwas löschen. Neu tippen. Überarbeiten. Nochmal überarbeiten. Alles kacke finden.
Emails beantworten, deren Inhalt in etwa lautet: »Wann kommt denn endlich die verdammte Fortsetzung zu den Wölfen?« Ein paar aufmunternde Teaser posten und feststellen, dass das eine total blöde Idee war. Denn nun fragen erst recht alle: »Menno, warum dauert das so lange?«
Beschließen, nie wieder Werbung zu machen. Dann wird das nächste Buch zwar nicht gekauft und ich muss auf das billigere Crystal Meth umsteigen, aber egal.

 

ZU TEUER

Foto: Marcin Ciszewski/unsplash

Ich halte es für durchaus angemessen, alle 100 Seiten einen Euro fürs Ebook zu veranschlagen, wobei ich jedoch bei 4,99€ die Grenze ziehe, selbst wenn der Wälzer über 800 Seiten hat. Bei mir gibt es kein Ebook über 4,99€, aber eben auch keine 99Cent-Bücher.
Schreiben ist Quälerei, wenn man es gut machen will. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Meine Kopfgeburten samt schlafloser Nächte und meinen krummen Autorenrücken gibt’s nicht für Omme, basta.
Beim Print wiederum bestimmt die Druckerei den Preis, der vom tagesaktuellen Papierpreis abhängt (Papier ist das neue Gold, Leute!) und von der Auflage. Je mehr Bücher man drucken lässt, desto günstiger.
Der deutsche Verlag von Stephen King kann eine Mio Exemplare in der Superduper-Spezialdruckerei herstellen und in einem Flugzeughangar einlagern lassen. Trotzdem kosten Taschenbücher von Herrn King fast doppelt so viel wie meine.
Ich bin zwar nur die Dingens, die ihre Tantiemen für Koks und Nutten verprasst, bisher habe ich es aber trotzdem immer geschafft, meine gedruckten dicken Klopper halbwegs bezahlbar in die Shops zu bringen. Meine oberste Preisgrenze im Verkauf liegt bei 16,50€. Pro verkauftem Exemplar von DIE FARBE DEINER LÜGEN (704 Seiten) liegt der Gewinn bei 1,16€, denn auch die nette Buchhändlerin und der freundliche Distributor machen ihren Job nicht ehrenamtlich.

 

Es tut mir ehrlich, wirklich, total aufrichtig leid, dass ich Leser mit vorgehaltener Pistole zwinge, meine hastig heruntergetippten, völlig überteuerten Machwerke zu kaufen. Wie konnte ich denn auch ahnen, dass ich weltweit die einzige Autorin bin, die Bücher veröffentlicht?

Hiermit verkünde ich offiziell Folgendes:
• Niemand muss meine Romane kaufen oder gar lesen.
• Ich schreibe auch weiterhin nur 2-3 Romane pro Jahr, und zwar so, wie ich es für richtig halte: Mal schnell, mal laaangsam. Meinem Koks-Dealer ist das sowieso hupe.
• Ich würde echt voll gerne nur ein Buch alle zwei Jahre herausbringen, so einen richtig schönen dicken Klopper, und das gratis. Geht aber nicht.
• Das mit dem Koks und den Nutten war gelogen (mein einziges hartes Laster sind Weingummis. So, jetzt ist es raus).


* Mein bisher dickstes Buch ist übrigens DEMON INSIDE mit 764 Seiten. Ohne Silberdruck auf dem Cover. Im Buchhandel nur auf Bestellung erhältlich, weil zu dick.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen