Dark, Darker, autsch, verdammt! Oder: Was ist Dark Romance (nicht)?

Zoom-Kaffeeklatsch einer ungekämmten Autorin (auf dem Sofa im Hintergrund verrenkt sich ein schwarzer Hund wie ein überambitioniertes Cam-Girl), einer Lektorin und zwei Buchbloggerinnen:
Bloggerin 1: Ich kaufe grundsätzlich kein Buch mehr, das im Untertitel stehen hat: Du gehörst mir; Ich werde dich besitzen; Bald bist du mein oder ähnlichen Kram.
Bloggerin 2: Man kann sich auch anstellen.
Bloggerin 1: Es läuft doch immer aufs Gleiche raus: Mann macht Frau so richtig fertig und Frau findet das toll, weil der Typ reich und sexy und Mafiakiller ist. Das ist unreflektierter Blödsinn. Ersetze den heißen Bad Boy durch einen fetten Klempner …
Autorin (mit tiefer Stimme): Tach, gnä’ Frau, ich soll hier ein Rohr verlegen? Höhöhö …
Bloggerin 1 (verdreht die Augen): … durch einen fetten Klempner mit Haaren in den Ohren, und er hätte in Nullkommanix eine Anzeige wegen sexualisierter Gewalt am pickligen Poppes.
Bloggerin 2: Dark Romance bedeutet aber, dass eine Frau sich auch mal auf der dunklen Seite so richtig ausleben darf. Ein bisschen Aua gehört halt dazu. Die Frau muss was erdulden, um ihr Glück zu finden.
Lektorin: Wenn ein Roman suggeriert, dass eine Frau zu ihrem Glück gezwungen werden muss und selbst eine Vergewaltigung in dem Kontext irgendwie gar nicht so schlimm ist, dann läuft aber gewaltig was aus dem Ruder.
Bloggerin 2: Das ist doch bloß Fiktioooon! Nur weil man Thriller liest, will man ja auch nicht gleich einen Menschen ermorden.
Lektorin: Bei einem Thriller weiß man aber glasklar: Mord ist verboten. Beim Sex gibt es Grauzonen, die viele gar nicht so richtig formulieren können. Unter anderem auch, weil in manchen Büchern suggeriert wird, dass ein bisschen Vergewaltigen doch gar nicht so schlimm ist, wenn der Mann so verliebt ist, dass er sich nicht beherrschen kann.
Autorin: Hm, stimmt. Im realen Leben wird manchen Vergewaltigungsopfern erst später bewusst, dass etwas gegen ihren Willen abgelaufen ist. Weil sie dachten, dass muss jetzt so sein.
Bloggerin 1: In manchen Dark Romance-Büchern wird genau das zementiert, was ich von meinem Exfreund und anderen Typen gehört habe: Eine Frau, die einen Mann liebt, sollte auch mal ein paar Schmerzen aushalten können. Wenn der Typ auch noch Kohle hat, kann er sowieso machen, was er will, wie in 365 oder Fifty Shades.
Lektorin: In Fifty Shades of Grey ignoriert Christina das Safeword von Anastasia und macht einfach weiter. Rechtlich gesehen ist das eine Vergewaltigung.
Bloggerin 2: Herrgott, es ist doch bloß ein Buch! Da darf man ruhig mal solche Sachen ausprobieren. Im realen Leben …
Bloggerin 1: Im realen Leben passiert das eben auch. Ich will nicht wissen, wie viele Frauen den Mund halten, weil sie denken: Er liebt mich doch und eigentlich war es gar nicht so schlimm. In den Büchern ist es ja auch kein Drama. Der Mann denkt sich: Guck mal, die steht drauf. Meine Kumpels haben also recht gehabt. Dann kann ich ja weitermachen. Und fünf Jahre später ist die Frau ein Psychowrack mit massivem Vertrauensproblem, das sich für wertlos hält, weil es all das zugelassen hat.
Bloggerin 2: Das ist Blödsinn. Im realen Leben merke ich doch, wenn ich in eine toxische Beziehung reinrutsche. Dann verlasse ich den Kerl auf der Stelle. Punkt.
Autorin: Wenn das so einfach wäre, gäbe es keine Frauenhäuser.
Lektorin: Was mich an Dark Romance so stört, ist nicht die Konstellation dominanter Mann – unterwürfige Frau oder der harte Sex. Es ist die Leichtfertigkeit, mit der Grenzüberschreitungen abgetan werden. So lange die Protagonistin ihren Orgasmus bekommt und der Held heiß aussieht, hat er einen Freifahrtschein. Und meist muss nur die Frau den ganzen Mist erdulden. Der düstere Held geht Eierschaukeln …
Autorin: Einem stinkreichen Mafiakiller muss ich ja schon aus Prinzip verzeihen, dass er mich quasi vergewaltigt hat. Erstens tut er es aus verzweifelter, dominanter Liebe und zweitens könnte er mich umbringen und im Wald verscharren, wenn ich ihm sage, dass ich nur nett kuscheln möchte.
Bloggerin 2: In Dark Romance geht es also um Missbrauchsbeziehungen mit Happy End?
Lektorin: Nur in den schlechten Romanen.


Das Gespräch liegt schon ein paar Wochen zurück und ich sitze hier immer noch (während der Hund neuerdings seinen eigenen OnlyFans-Account hat) und denke darüber nach, wie ich als Autorin mit dem Thema umgehen soll. 
Bei meinen ersten Büchern habe ich noch völlig munter und unbedarft drauflos geschrieben, ohne an irgendwelche Genre-Schubladen zu denken. Damals wusste ich nicht einmal, dass es Dark Romance überhaupt gibt.
Bis dann ein befreundeter Rocker (ja, auch Rocker lesen Bücher) zu mir kam und mit einer gewissen Ratlosigkeit sagte: »Hör mal, ich habe Demonized gelesen. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr Frauen auf so eine Scheiße steht, hätte ich mir das ganze jahrelange Nettsein sparen können.«
»Das ist Fiktiooon!«, antwortete ich genervt. »Zum Beispiel habe ich letztens Blake gelesen und verspüre trotzdem keinen Appetit auf Menschenfleisch.«
»Möglicherweise hat der Autor ja dafür gesorgt, dass Kannibalismus nicht gut wegkommt«, erwiderte Rocker Guy.
Da war was Wahres dran. Dieser Roman wurde aus Sicht des kaputten Mannes beschrieben, der genau wusste, dass er moralisch Verwerfliches tut, und er fühlte sich schlecht dabei.

In Dark Romance findet zunächst einmal keine moralische Bewertung statt.
Einerseits ist das gut oder sogar befreiend, mal nichts über eine Frau zu lesen, die erst mit Hochzeit und Kinderkriegen zur vollständigen Person wird.
Andererseits vermitteln manche düsteren Romane, dass Frauen unbedingt ordentlich leiden müssen, um geliebt werden zu können. Üblicherweise wird die Geschichte aus der Sicht der Protagonistin erzählt, die das irgendwie gut findet und – hey, die muss es doch wissen. Erst beim zweiten Hinlesen fällt vielleicht auf, wie unkritisch die Heldin ist.

Wie mein Männe mal sagte: »Das, was diese ganzen dominanten Helden den Frauen antun, würden die Kerle selbst keine zwei Minuten aushalten.«
 Interessanterweise liest er durchaus auch Dark Romance, aber nur, wenn der Mann darin auch ordentlich sein Fett wegbekommt und nicht bloß dominant durch die Geschichte stolpert … lautlos schleicht (Meist handelt es sich ja um einen sexy durchtrainierten Killer mit raubtierhaften Bewegungen. Die stolpern grundsätzlich nicht).

Was ist denn nun Dark Romance?

Weil ich eine faule Socke bin, habe ich die Frage einfach an meine Newsletter-VIPs weitergereicht. An dieser Stelle ein fettes Danke schön für die vielen, vielen Zuschriften und die Auseinandersetzung mit meiner Frage!
Die zahlreichen Antworten kamen zu einem eindeutigen Schluss: Nun, also …

Will heißen: jeder definiert es für sich irgendwie anders.

(Die Zitate in den blauen Kästchen stammen übrigens alle von LeserInnen.)

Eine Leserin hat bespielsweise klipp und klar geschrieben: Ich lese keine Romane mehr, deren Klappentext so aufgebaut ist:


Random Dude:
 Ich bin ein eiskalter Bösewicht und ich werde dir wehtun. Du wirst es hassen, aber eigentlich findest du es voll geil, wie ich mit dir umspringe, wegen deiner dunklen Gelüste und so.



Random Schönheit:
 Ich spiele nur mit, weil ich schön aussehe und zu blöd bin, auf mich selbst aufzupassen. Hier – mein blanker Hintern. Hau ordentlich drauf.
Interessanterweise (und für mich sehr erleichternd) funktioniert für die eine Hälfte der LeserInnen Dark Romance auch ohne Sex und Popo-Hauen. Wichtig für sie ist eine nahezu unmögliche Paar-Konstellation (Mafiakiller trifft auf Nonne) und eine abgründige Story voller Gefahr und mit vielen Grauzonen statt moralischer Schwarz-Weiß-Malerei.

Die knappe andere Hälfte erwartet in dunklen Romanen explizite Sexszenen. Von dieser Hälfte rechnet ein gutes Drittel mit hartem Gerödel, wobei die Frau grundsätzlich den passiven, devoten Part einnimmt. Sehr viele dieser LeserInnen finden das Machtgefälle im Roman-Bett übrigens gar nicht so prickelnd. Der dominante Mann soll sich zumindest beim Sex auch mal fallen lassen können, statt ständig die ganze Verantwortung zu tragen, während die Frau sich in seitenlanger Schmerzlust winden darf.

Lediglich eine Leserin war der Meinung, dass es bei Dark Romance um eine traumatisierte Heldin gehen soll, die durch BDSM und einem dominanten Peitschenschwinger wieder »geheilt« wird. 

Fast alle waren sich aber darin einig, dass sie keine Verharmlosung von Vergewaltigung lesen wollen. Der Mann, der sich die Heldin einfach nimmt, weil ihre unglaubliche Sexyness ihn schier überrumpelt, und sie ihm danach lächelnd verzeiht wegen großer Liebe etc, kommt gar nicht gut an. Die Heldin, die so mit sich umspringen lässt, übrigens auch nicht.

Ich erinnere mich an eine Lektüre, deren Protagonist von Klein auf zum Vergewaltiger getrimmt worden war und auf Geheiß des Vaters sogar vor seiner Schwester nicht Halt machte, die er angeblich über alles liebte. Natürlich liebte sie ihn zurück, weil so ein bisschen Rape unter Geschwistern ja nicht schlimm ist. Als seine andere Schwester vergewaltigt und getötet wurde, wollte er sich an dem Täter rächen – indem er plante, dessen Tochter zu vergewaltigen. Der »Held« nahm das, was man seiner Schwester angetan hat, nicht eine Sekunde lang zum Anlass, über seine eigenen Taten und deren Folgen für seine Opfer nachzudenken. Er hat keinerlei charakterliche Veränderung durchgemacht, weil: Die Bösen waren die anderen. Der Arme hatte nur eine schwere Kindheit und außerdem fand die jungfräuliche Protagonistin seine Übergriffigkeit so toll, dass sie sich glatt in ihn verliebt hat.

Was also war die Quintessenz dieses Romans? Vergewaltigung ist halt Teil des weiblichen Daseins? Frauen können so was ab, wofür haben die denn ihre Mumu? Im Grunde macht so eine Vergewaltigung sogar Spaß, wenn Frau es einfach mal zulässt?


Dieser unreflektierte, völlig folgenlose Umgang mit Rape hat mich persönlich so wütend gemacht, dass ich seitdem keinen Roman von der Autorin mehr anrühre, obwohl ich ihre vorigen Bücher mochte.
 Zumindest weiß ich nun, was Dark Romance für mich NICHT ist.

Auch die LeserInnen meiner kleinen Umfrage sind in der Hinsicht extrem kritisch. Nahezu alle waren der Meinung: Wenn Rape thematisiert wird, dann soll er als das dargestellt werden, was er ist: eine traumatisierende Straftat, die ein Leben zerstören kann, und kein hottes »Hupsi, kann ja mal vorkommen. Und du hattest sogar einen Orgasmus, also weiter in der Geschichte«.

Viele LeserInnen können überhaupt nicht nachvollziehen, dass eine Protagonistin, nachdem sie eben noch einer (Beinahe-)Vergewaltigung entkommen ist, auf der nächsten Seite plötzlich unbändige Lust auf ein bisschen Matratzensport hat. Hier zeigt sich, dass die LeserInnen weitaus kritischer mit dem Thema umgehen als viele Autoren.

Man kann  zwar argumentieren, dass es sich bei Dark Romance um bloße Fiktion handelt. Fakt ist jedoch, dass wir immer etwas aus dem Buch ins reale Leben mitnehmen und sei es nur – wie eine Kollegin mal formulierte: »Man muss nicht aus jedem Klaps gleich ein #metoo-Drama machen!«
Leider verhindert die hartnäckige Zementierung von Klischees (reicher heißer Bad Guy versus hilflose schöne Unterlegene) oft eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Frage:

Was richtet das Ganze mit mir als LeserIn an?

Medienkonsum, also auch das Lesen von Büchern, beeinflusst Menschen nachweislich in ihrem Denken und Verhalten. Wir können uns hundertmal vorbeten, dass wir in der Lage sind, Fiktion von Realität zu unterscheiden: Es stimmt nicht und das wird auch durch zahllose Studien belegt. Hätten Bücher keinerlei Wirkung auf uns, gäbe es sie längst nicht mehr. Bücher stellen für viele Menschen einen sehr wichtigen Bestandteil ihres Lebens dar. Sie erzeugen Stimmungen, bringen uns zum Nachdenken, zum Träumen oder beeinflussen uns in großen und kleinen Entscheidungen.


In einer bekannten Studie* wurde beispielsweise festgestellt, dass Frauen, die Fifty Shades of Grey gelesen hatten, eine wohlwollende Einstellung zu feindseligem (frauenfeindlichem) Sexismus haben. Diese zeigt sich z.B. dadurch, dass Frauen ihrer Meinung nach von Männern beschützt und dominiert werden müssen. Ihrem eigenen Geschlecht stehen diese Frauen zudem besonders feindselig gegenüber.
In einer weiteren Studie**, an der Männer und Frauen teilnahmen, berichteten die Männer, nachdem sie eine Geschichte mit einem sexuell-dominanten Mann gelesen hatten, von einer erhöhten Akzeptanz von Vergewaltigungsmythen bei sich selbst (»Wenn sie Nein sagt, meint sie es gar nicht so« und »Frauen stehen auf dominante Gewalt«).
Nun werden solche Männer nicht gleich losgehen und die nächstbeste Frau in die Büsche zerren. Sie werden aber mit großer Wahrscheinlichkeit an Respekt gegenüber Frauen verlieren und das kann sich auf mannigfaltige Weise zeigen, von »Hab dich nicht so, ist doch nur Spaß« bis hin zu »Frauen wissen nicht, was sie wollen, darum müssen wir Männer es ihnen zeigen«.

Wenn wir lesen, leiden wir mit. Zusammen mit der Heldin suchen wir Entschuldigungen, warum der Bad Guy so ist, wie er ist. Wir lassen es ihm durchgehen, dass er unsere Heldin wie Dreck behandelt, weil wir uns in einer Romanze befinden. Was er tut, muss doch für irgendwas gut sein, oder? Er ist ist ja nicht grundlos ein reicher Auftragskiller geworden … oh, und sieh nur, er hat ihr drei Orgasmen hintereinander beschert!
Außerdem ist es ja nur Fiktion.

Fast alle LeserInnen haben darauf hingewiesen, dass sie keinen Bock mehr auf Heldinnen haben, die hauptsächlich schön sind und alle Naselang vom düsteren Helden gerettet werden müssen. Die zwangsverheiratete Mafiabraut, die entführte Schönheit, die verfolgte Unschuld, die seitenlang ihr Schicksal beklagt, statt mal den Hintern hochzukriegen, nervt. Sie wünschen sich richtig starke Frauen, die für sich einstehen und dem männlichen Protagonisten zeigen, wo der Hammer hängt.
In den guten Dark Romance-Büchern sitzt die entführte Heldin nicht brav auf der Bettkante ihres Verlieses und wartet auf den dunklen Mafiaprinzen, der sie mal auf dem Klo eines angesagten Clubs ordentlich rangenommen hat (sie hat zwar so etwas wie Nein gesagt, aber das hat sie ja nicht so gemeint), worauf sie ihm rettungslos verfallen ist.
 Unsere Heldin wird die Tür eintreten, sich den Knöchel brechen und sich humpelnd zum Hinterausgang kämpfen, um anschließend in besagtem Club dem dunklen Mafiaprinzen in den Allerwertesten zu kicken, woraufhin er empört fragen wird: »Wofür war das denn jetzt, du Zicke?«
»Du hättest wenigstens die Pille danach bezahlen können, du brutaler Scheißkerl!«
Romantik halt.
Eine Leserin hat es schön auf den Punkt gebracht: Sie findet Dark Romance nur dann gut, wenn auch der Held quasi als ausgleichende Gerechtigkeit ordentlich einstecken muss.
Jedoch nur eine einzige Leserin konnte sich einen kompletten Rollentausch vorstellen: Dominante, mächtige Frau trifft auf normalen Mann.
Interessant war übrigens auch, dass Dreierkonstellationen (zwei Männer, eine Frau) oder Reverse Harem gar nicht gern gelesen werden, und Dark Romance mit Lesben stand nicht mal zur Debatte (Dark Gay Romance fanden einige Leser hingegen spannend). So düster das Genre also ist, es wird eine konservative, monogame Pärchenkonstellation erwartet.

Was nehme ich als Autorin aus dem Ganzen mit?

Zunächst einmal bin ich maßlos erleichtert, dass LeserInnen doch genauer hinschauen, als allgemein angenommen wird. Sie gehen kritisch mit dem Gelesenen um und brechen die Lektüre ab, wenn sie das Gefühl haben, dass die Autorin bestimmte Handlungsweisen völlig naiv und unreflektiert schildert.
Das heißt, ich selbst muss mir meiner Verantwortung beim Schreiben bewusst sein und darf Gewalt nicht zur bloßen Unterhaltung verkommen lassen.
Ich versuche, meinen Protagonisten genug Hirnschmalz mitzugeben, dass sie genau wissen, was bei ihnen falsch läuft. Wenn sie töten, dann sind sie sich bewusst, dass das was Böses ist und Flecken aufs Hemd macht, die nie wieder rausgehen. Wahrscheinlich tun sie es trotzdem, weil sie sich bewusst für die dunkle Seite des Daseins entschieden haben (und weil es viel Kohle einbringt), und die LeserIn darf (und soll) sie deswegen unsympathisch finden. Sie darf aber trotzdem von dieser bewussten Bösartigkeit fasziniert sein, weil die Story einen Einblick in ein fremdes Gehirn ermöglicht, das ganz reflektiert schlimme Dinge tut.

In dem Roman Das Parfum von Patrick Süskind empfindet vermutlich keine LeserIn Sympathie für den eiskalt mordenden Parfumhersteller Jean-Baptiste Grenouille. Der Mann ist schlecht, schlecht, schlecht. Gleichzeitig ist er ein Genie. Dem Leser ist beides überaus bewusst; er wird nicht an der Nase herumgeführt, indem der Autor Grenouille auch nur ansatzweise romantisch verklärt. Darum können wir diesen Roman genießen, ohne das dumpfe Gefühl zu haben, unbemerkt aufs moralische Glatteis geraten zu sein.

Als Autorin freue ich mich auch, dass viele LeserInnen gesagt haben, sie bräuchten nicht zwingend Sex oder Erotik in einer Dark Romance. Hier hadere ich nämlich oft mit der Frage: Müssen die jetzt unbedingt schon wieder pimpern oder kriegen die ihre Probleme nicht auch mal anders in den Griff? Mitunter macht eine Sexszene dann Sinn, wenn sie die Charakterbeschreibung griffig unterstützt oder zu einer Wendung in der Geschichte führt. Manche Paare kommen sich über Sex tatsächlich näher als über: »Du, wir müssen mal reden …«

Aber Sex ist halt auch nur eine mögliche Handlung von vielen. Ob das nun unbedingt eine schwitzige BDSM-Szene sein muss, halte ich für fraglich (dafür gibt es schließlich BDSM-Erotikromane).

Dark Romance definiere ich für mich persönlich so:

Dieses letzte Zitat (siehe links) einer Leserin trifft es für mich sehr gut.
Zwei Menschen, die so gar nicht zusammenpassen, kollidieren aufs Heftigste miteinander und schaffen es irgendwie, trotz widrigster Umstände zu einem Paar auf Augenhöhe zu werden. Unterwegs machen beide eine Veränderung durch, die der Autorin ein paar schlaflose Nächte einbringt. Das Darke an der Dark Romance ist für mich die Auseinandersetzung mit moralisch fragwürdigen Handlungen oder Entscheidungen. Wenn die Protagonisten dabei so richtig Mist bauen – umso besser. Das gibt mir und dem Leser die Möglichkeit, eine eindeutige Position zu beziehen und dem dunklen Helden mal mit Anlauf in die Eier zu treten oder die Heldin als hirnlose Pute mit Stockholmsyndrom zu beschimpfen.
Eine gute Dark Romance ist für mich also eine Liebesgeschichte abseits des gewohnten Lebensumfeldes und mit großer moralischer Gratwanderung. Ein befriedigendes Happy End ist ein Muss, sonst wäre es keine Romanze.


*Sexist Attitudes Among Emerging Adult Women Readers of Fifty Shades Fiction
**Fifty Shades Flipped: Effects of Reading Erotica Depicting a Sexually Dominant Woman Compared to a Sexually Dominant Man

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