Buchkritik: „Die Abnormen“ von Marcus Sakey

Den amerikanischen Autor Marcus Sakey kannte ich bisher nicht, obwohl er gar nicht so unbekannt ist, immerhin hat er einige Nominierungen und Preise eingeheimst und moderiert die anscheinend etwas masochistisch anmutende amerikanische Sendung „Hidden City“ (da ist von Pfefferspray und attackierenden Hunden die Rede). Der Roman „Im Augenblick der Angst“ wurde verfilmt und „Die Abnormen“ wird demnächst ebenfalls für die Leinwand adaptiert.
Bildschirmfoto 2014-06-30 um 20.52.23Der Roman hat 508 Seiten und ist ein spannender Mix aus Thriller, Fantasy und Science Fiction. Ich sag mal: ein solides Stück Schreibhandwerk ohne großartigen Tiefgang, klassisch nach Höhepunkten strukturiert und in kluger Voraussicht ein bisserl auf Storyboard getrimmt. Herr Sakey hat eine Pageturner-Urlaubslektüre geschrieben, die gut unterhält und aus der Crichton-Koontz-Brown-Schule stammt, wenn es denn so etwas gibt. Ein sich aufschaukelnder Wendepunkt-Plot mit leicht unbefriedigendem „alles-wird-gut“-Hollywood-Ende und eine Menge typischer Redewendungen, die man vielleicht der Übersetzung anlasten muss.

Der Roman spielt in der Gegenwart, in der immer mehr „Abnorme“ geboren werden, Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten, quasi X-Men light. So kann ein kleines Mädchen erkennen, welche Geheimnisse sein Gegenüber verbirgt, ein anderer begabter hat es geschafft, die gesamte Börsenwelt zusammenkrachen zu lassen und der Protagonist Nick Cooper ist in der Lage, anhand feinster Köpersprachensignale die nächsten Handlungen seines gegenübers zu deuten – im Nahkampf eine feine Sache.

Die „Normalen“ fürchten die Genialen und sehen in ihnen eine Gefährdung ihrer, die auf den richtigen Weg gebracht werden müssen; Kinder werden Tests unterzogen und, wenn sie ein Inseltalent aufweisen, von ihren Eltern getrennt und in spezielle Schulen eingenordet zum Wohle der Nation. Abnorme sollen per Gesetz mittels Chip gekennzeichnet werden. Es gibt sogar eine eigene Ermittlungsabteilung, die – ausgestattet mit einem Mega-Budget – Jagd auf bestimmte Abnorme macht, die ihr Talent für terroristische Zwecke einsetzen. Der Protagonist arbeitet für diese Einheit, er ist ein etwas verpeilter Idealist und setzt sein Talent im Dienste der Nation ein, vor allem, um den Staatsfeind No. 1, den abnormen Terroristen John Smith (aha!) dingfest zu machen. Natürlich gerät er bald in einen Gewissenskonflikt, und das ist noch das Harmloseste, was dem Helden blüht …
Es gibt sehr vereinzelte Science-Fiction-Elemente, die aber nicht zu abgedreht sind, sondern durchaus in den nächsten zwei Jahren Realität sein könnten (wie der Tri-D-Bildschirm, der Stamp-Drive oder das Datenpad), vielleicht gibt’s die auch längst und ich lebe nur total hinterm Mond. Ohne Ausnahme schildert Herr Sakey sehr glaubhaft und realistisch, vor allem die Talente der Genialen waren nicht überzogen – in diesem Buch kann niemand teleportieren, Klingenfinger ausfahren oder Flammen pupsen. Die Genialen sind einfach nur in der Lage, ihr gegebenes Potential bis zum Anschlag auszunutzen – und wie das funktioniert und was man damit alles anstellen kann, das vermittelt der Autor hervorragend.
Der Held handelt auf nachvollziehbare Amerikanischer-Patriot-der seine Familie-liebt-Weise und ich wette, Marcus Sakey hatte beim Schreiben Tom Kruse oder Will Schmitz in der Hauptrolle vor Augen.

Das Hauptthema des Buchs ist die Angst vor dem Fremden, dem Unbekannten, das den American Way of Life bedroht, aber der Autor wollte vor allem sicher ein spannendes Buch abliefern, einen Pageturner mit Bestseller-Potential, keine literarisch sperriges Werk, über man eine Weile nachgrübelt.
Ein bisschen hatte ich das Gefühl, als habe Marcus Sakey nach dem Patentrezept „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ einen verdammt guten Roman geschrieben, nicht mehr, nicht weniger. Daran ist nichts auszusetzen, das Buch ist spannend, solide geschrieben und auf Höhepunkte hin konstruiert – nix falsch gemacht, Herr Sakey.
Wer eine knackige Urlaubslektüre nach amerikanischem Beststeller-Rezept sucht, sei der Schmöker hiermit empfohlen.

„Die Abnormen“ gibt es hier als eBook, Taschenbuch und als Hörbuch-Download.

  • Taschenbuch: 508 Seiten
  • Verlag: AmazonCrossing (29. April 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 1477822631
  • ISBN-13: 978-1477822630
  • Originaltitel: Brilliance

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen