Buchrezension: „Tango für einen Hund“ von Sabrina Janesch

Cover_Tango

Ich hatte wieder mal das große Glück, über Loveloybooks ein tolles Buch zu ergattern und zu rezensieren. Diesmal war es „Tango für einen Hund“ von Sabrina Janesch. Das Cover ist klasse, oder?

Drei Tage ist der 17-jährige Ernesto mit seinem argentinischen Onkel Alfonso und dem riesigen, löwenherzigen Hütehund Astor unterwegs, um die beiden Gäste – zunächst widerwillig – zu ihrem Bestimmungsort zu eskortieren: Eine Rassehundeausstellung in Bad Diepenhövel. Dass das nicht ohne Hindernisse abgeht liegt auf der Hand. Ernesto muss eigentlich Sozialstunden ableisten und wird vom »Trenchcoat-Mann« Herrn Kramer verfolgt, er ist, wie es sich für einen 17-Jährigen gehört, unglücklich verliebt und findet seine Eltern seltsam, er hat ziemlichen Respekt vor dem »Riesenköter« und schleppt ein halbes ausgestopftes Krokodil als Glücksbringer mit sich herum. Natürlich wartet die Reise mit allerhand skurrilen, geheimnisvollen und auch surrealen Begegnungen auf und nicht alles wird aufgeklärt.

Die Geschichte wird aus der Sicht Ernestos erzählt, dem filmaffinen angehenden Regisseur, dessen erklärtes Ziel es ist, an der Filmhochschule angenommen zu werden. Dafür muss er einen selbstgerechten Film einreichen und Ernesto hat sich Argentinien als Thema ausgesucht. Leider blieb es auch dabei, dieser Strang der Geschichte wird nicht weiter verfolgt – es sei denn, man nimmt Ernests Erzählung der Begebenheiten als eben jenen Roadmovie. Ernestos Sprache ist erfrischend, witzig, locker und gleitet auch in gefühlvollen Momenten niemals ins Kitschige ab. Es macht großen Spaß, dem flapsigen Jugendlichen auf seinem kurzen Abenteuer durch die norddeutsche Pampa zu folgen.
Der Stil hat bei mir eine Menge Kopfkino ausgelöst, die Umgebung, die die drei Protagonisten durchqueren, war immer bildhaft präsent beim Lesen.

Wäre dieser Erzählstil nicht gewesen, hätte ich das Buch womöglich nicht zu Ende gelesen. Die Begegnungen mit den norddeutschen Originalen reihen sich wie Perlen an der Schnur aneinander. Die Leute kommen und verschwinden bald darauf wieder; weiter geht die Reise. Dabei waren die Nebencharaktere so interessant, dass ich wirklich gern mehr von ihnen gelesen hätte. Auch der Einbau der Dialekte hat mir gut gefallen, obwohl ich nicht alles auf Anhieb ins Hochdeutsche übersetzen konnte.
Die Abenteuer sind eigentlich eher belanglos und das richtige Roadmovie-Feeling wie z.B. bei Tschick oder Thelma & Louise wollte sich bei mir nicht einstellen. In der Mitte wurde die Handlung spürbar ruhiger und ich habe mich schwergetan mit dem Lesen. Einzig Ernestos Erzähl- und Denkweise hat mich animiert, weiterzulesen.

Natürlich wäre ein Reiseroman kein Reiseroman, wenn der Held nicht verändert an seinem Ziel ankommt. Ernestos Wandlung war für mich nicht ganz nachvollziehbar; ich würde jetzt nicht sagen, dass er über die Maßen über sich hinausgewachsen ist, seine persönlichen Grenzen ausgelotet oder gar überschritten hat. Eigentlich haben ihn die Ereignisse vorwärtsgeschoben. Lediglich seine Einstellung zum Leben hat sich gewandelt, er hat an Selbstbewusstsein gewonnen.

Der Roman lebt vom Schreibstil und den Charakteren, die Geschichte selber kommt zu kurz für meinen Geschmack. Astor als Grund für die Reise erschien mir, als ich das Ende erreicht hatte, wie ein vorgeschobener Grund, um die Protagonisten auf den Weg zu schicken, und spielte gegen Ende eine immer kleinere Rolle, bis … ach, das wäre jetzt spoilern. Lest selber!
Als Leser fühlte ich mich ein bisschen betrogen, weil viele Fäden ausgelegt, aber dann einfach nicht weiter verfolgt wurden – seien es die skurrilen Charaktere, der Herr Kramer, der Wolf, die etwas surrenden Begebenheiten oder sogar Alfonso selber, für den diese Hundeausstellung zunächst eine unglaublich wichtige Sache ist, nur um das Erreichen seines Ziels dann doch Ernie zu überlassen. Da hätte er ja gleich in Argentinien bleiben, den Hund allein losschicken und die deutschen Verwandten mit der Durchführung seiner Mission beauftragen können.

Mein Fazit: Zwiegespalten.
Großartige Sprache, flüssiger, ungewöhnlicher Schreibstil, tolle Figuren, keine Frage! Es macht riesigen Spaß, die Geschichte aus Ernies Sicht zu verfolgen.
Das Buch war extrem positiv; es geschieht nichts wirklich Böses oder wahrhaft narbenhinterlassendes Dramatisches. Skurrilität hat Vorrang. Immer wieder wird auf Che hingewiesen, auf lateinamerikanische oder filmische Kultur, die Charaktere sind allesamt Unikate; dazu die norddeutsche Landschaft – Tango für einen Hund ist ein bunter, unterhaltsamer Roman in ungewöhnlicher Sprache, er ist keinesfalls oberflächlich, aber er geht auch nicht wirklich unter die Haut, wie es Tschick, In die Wildnis, Amy on the Summer Road oder Der Hndertjährige … getan haben.
Die Handlung selber hat mich ein wenig unbefriedigt zurückgelassen. Insgesamt ist der Roman kein wirklich rasantes Roadmovie mit Höhepunkten und wilden Wendungen, eher eine Landpartie mit innerer Einkehr, ein kleiner Entwicklungsroman, der es nicht ganz geschafft hat, mich zu überzeugen.
Dennoch werde ich ihn wegen des Schreibstils und der Erzählperspektive weiter empfehlen. Ob die Handlung den Leser überzeugt ist ja immer auch eine rein persönliche Sache …

Ich vergebe drei von fünf Sternen und werde mir andere Bücher der Autorin auf jeden Fall anschauen. Denn schreiben kann die Frau, das steht mal fest.

Das Buch ist hier als eBook oder gebundene Ausgabe erhältlich.

 

  • Gebundene Ausgabe: 303 Seiten
  • Verlag: Aufbau Verlag; Auflage: 1 (18. Juli 2014)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3351033087
  • ISBN-13: 978-3351033088

 

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