Beim Entwerfen meines Exposés musste ich mich naturgemäß intensiv mit meinem Antagonisten auseinandersetzen, also dem, der dafür sorgt, dass die Ziele meines Protagonisten möglichst nicht erreicht werden.
Ist der Antagonist der Bösewicht? Das wäre ja wirklich zu einfach. Nur weil mein Prota nicht kriegt, was er will, ist er nicht gleich dem hämisch lachenden Bösen ausgeliefert. Der Antagonist ist nichts weiter als der Gegenpol, der durchaus berechtigte Gründe hat, seinem Weg zu folgen.
Während des Schreibens habe ich festgestellt, dass mir beide Figuren am Herzen liegen und ich beide sympathisch finde: sie haben ihre Schwächen, sie hadern mit ihrem Schicksal, sie haben Träume und Hoffnungen und lassen hin und wieder ihre Maske fallen, so dass man ihr wahres Ich sieht – ganz normale Figuren also. Ich denke, das macht das Geschehen umso dramatischer; man kann die Beweggründe beider Figuren nachvollziehen und verknotet hilflos die Finger ineinander, während man ihrem Lebensweg folgt.
Ganz schlimm fand und finde ich Romane, in denen der Antagonist irgendwelche „Achtung-ich-bin-der-Böse!“-Makel hat (schlimme Furunkel, zusammengewachsene Augenbrauen, üblen Atem, schlechte Tischmanieren…), er widerwärtig oder hämisch lacht, wenn kleine Mädchen weinen und er fasziniert arme süße Hundchen im Fluß hinterm Haus ertränkt. Plumpe Manipulation: diesen Charakter kannst du nun wirklich nicht sympathisch finden, lieber Leser, oder du bist nicht zivilisiert. Geht’s noch flacher? Also bitte, da kann ich auch gleich die BILD lesen … ( in diesem Zusammenhang weise ich mit Freuden auf den BILDBLOG hin, einem Watchblog der deutschen Medien für kritische Zeitungsleser).
Das Drama einer guten Geschichte beginnt dann für mich, wenn ich als Leser hin- und hergerissen bin zwischen den beiden nachvollziehbaren Beweggründen. Der Kampf „Gut gegen Böse“ (Superheld gegen Superschurken) ist mir persönlich zu langweilig. Betrifft mich nicht, kann ich nicht nachvollziehen. Macht ihr mal, geht sowieso immer gut aus.
Es geht doch nicht immer um die Rettung der Wellt vor dem Antichrist. Manchmal bricht das Leben schon zusammen, wenn die Bank nicht bereit ist, einem den Risikokredit zu geben, den man unbedingt braucht, um 80 Arbeitsplätze zu retten. Dass man kein tragbares Konzept vorweisen kann, ist doch zweitrangig – denkt nur an all die armen alleinerziehenden Angestellten, die das Einkommen dringend brauchen! Zack: die Bank ist der Bösewicht.
Auf der anderen Seite ist da die Bankangestellte, die das Risiko dieser Unternehmensidee bewerten soll und anhand des unausgegorennen Geschäftsplans sieht. „Oha, der Gute hat zwar hehre Ideen, aber keine Ahnung von Markt und Verkauf. Das Ding geht innerhalb der ersten sechs Monate unter wie die Titanic – garantiert!“ Sorry, aber keine 400.000,-€ für das angeschlagene Unternehmen.
Das „Böse“ ist entweder Betrachtungsweise („Ich hatte doch die Beförderung verdient, nicht der kleine Arschkriecher!“, „Warum hat sich mein Mann ausgerechnet in diese billige Schlampe verguckt?“ etc.) oder es ist eine Gruppe Jugendlicher an der U-Bahn-Haltestelle mit zuviel Wodka-Cola im Blut, die nicht wissen, wohin mit all dem Lebensfrust (aber selbst die können einem Leid tun, wenn man nicht grad das Opfer ist – und schon ist es wieder Betrachtungsweise) oder es ist billige Manipulation.