Da liest man in all den spannenden Romanen immer die tollen Schilderungen von Kämpfen.
Kämpfe mit den Fäusten, mit dem Messern oder gar von einer Pistole an der Schläfe und selbst da kann sich der Protagonist noch rauswinden, ohne dass ihn eine Kugel ins Fleisch geballert wird.
Geht das überhaupt?
Ja und nein.
Ottonormalschriftsteller würde wahrscheinlich vor Schreck erstarren, wenn plötzlich ein agiler Kämpfer aus dem Dunkel spränge und ihm ein Messer an die Kehle setzen würde. Ottonormalschriftstellerin würde vielleicht noch ein bisschen kreischen und die Hände hochreißen.
Hollywoodreflex – die Hände hochreißen.
Wer von uns täte das nicht beinahe automatisch? Nimm die Hände hoch, dann greife laaaangsam nach deiner Brieftasche, sage „Alles okay, Kumpel. Nimm mein Geld und alles ist gut.“
Im Film klappt das.
Im wahren Leben hat man es vielleicht eher mit einem angetrunkenen und sehr aggressiven Fußballfan oder einem frustrierten Noch-Nicht-Erwachsenen zu tun, der mit seinen Kumpels auf der Supermarkttreppe rumlungert, Red Bull-Wodka trinkt und auf „Opfa“ wartet. Da hilft dann auch der Griff zur Brieftasche und beruhigendes Reden nichts. Entweder fight or flight.
Wenn man rennen will, sollte man rennen können.
Und man sollte allein sein. Oder man wird den Rest seines Lebens nicht mehr in den Spiegel schauen können, weil Freund/Freundin/Oma/Papa/Kollege am Ende mit zwölf Stichen in der Bauchgegend im Krankenhaus landet.
Wenn man kämpfen will, sollte man es können.
Und wollen. Man sollte willens sein, die Situation beherrschen zu wollen. Weg vom Opfer, hin zum Macker, um es mal salopp zu sagen
Realistische Kampfszenen kann wohl nur jemand schildern, der irgendwie mal eine solche Szene erlebt hat – ob nun im Training oder als tatsächliches Opfer. Man glaubt nicht, wie wichtig der Faktor Streß in diesem Fall zum Tragen kommt. Selbst ausgefuchste Kampfsportler erstarren, wenn ein wilder, schmerzresistenter Besoffski auf einen losstürmt und eine abgebrochene Bierflasche als Schlitzer-Instrument benutzt. Sowas steht in keinem Lehrbuch.
Als Frau gilt man sowieso als leichtes Opfer. Frauen kreischen, weinen, betteln. Bestenfalls benutzen sie noch ihre Fingernägel oder vielleicht noch ihre hohen Absätze, aber dann ist auch schon Ende mit Gelände.
Hast du als Frau schon mal mit der Faust zugeschlagen? Auf die Nase? Hart und geradeaus? Zugetreten, und zwar richtig? Einen gezielten Kick in die Weichteile gelandet?
Hast du – Mann oder Frau -schon mal einem Angreifer mit einem Messer gegenüber gestanden? Was hast du getan?
Seit geraumer Zeit trainiere ich, solche Angriffe wirksam zu kontern.
Nicht ohne Grund: ich wurde bereits zweimal angegriffen, davon einmal mit einem Messer. Damals war ich völlig hilflos, jetzt würde ich mir locker zutrauen, einem Gegner das Leben richtig schwer zu machen und ihm sein Messer dahin zu stecken, wo die Sonne nie scheint (bildlich gesprochen). Im Training werden wir gezielt unter Streß gesetzt und lernen, in realen Situationen zu reagieren. Wir wissen nicht, von wo der Angriff kommt und wie er aussehen wird. Es ist dunkel um uns herum sind andere Menschen, um uns herum ist Lärm.
Man lernt natürlich die entsprechenden Techniken – aber wichtiger finde ich, dass im Hirn ein Schalter umgelegt wird: du denkst, ich bin dein Opfer? Fehlanzeige! Nimm das!
In meinem aktuellen Schreibprojekt gibt es Nahkampfszenen. Mein Prota ist taff und kommt aus den meisten Angriffen gut heraus.
Jetzt weiß ich, wie das funktioniert, was dabei in seinem Kopf vorgeht und dass er trotz allem nicht ohne Blessuren davonkommt. Wer jemals ein paar harte Schläge geblockt hat, während gleichzeitig eine Klinge auf seinen Bauch zielte, weiß das ebenfalls.
Der Hobel und die Späne, nicht wahr? Aber wer eine Situation bestimmen will und nicht als Opfer enden möchte, nimmt das in Kauf und zieht es durch. Kampf tut weh. Doch man spürt den Schmerz erst, wenn es vorbei ist. Es ist lehrreich, dies am eigenen Leib zu erfahren und dabei festzustellen, dass man mehr einstecken kann, als man immer dachte, und noch immer nicht bereit ist, aufzugeben.
Ich empfehle jedem, der Nahkampfszenen schildern will, zumindest einmal ein Self-Defense- oder entsprechendes Schwerpunkt-Basic-Training mitzumachen, oder mal ein paar Stunden Boxunterricht zu nehmen.
Verblüffend, wie sich dann die Wahrnehmung ändert. So einfach ist das alles gar nicht. Die meisten von uns haben nämlich Hemmungen, zuzuschlagen und diese Hemmungen übertragen sie auf ihren Prota. Der wird zusammengewemmst, bevor er überhaupt reagieren kann, obwohl er doch so ein tougher Privatdetektiv ist. Dabei wird, wer halbwegs engagiert trainiert, niemals die Opferrolle annehmen können, schnellstmöglich reagieren und versuchen, die Situation zu beherrschen. Ob’s funktioniert, steht auf einem anderen Blatt …
P.S.: Gegen Prellungen, Aua und blaue Flecken hilft Arnika-Salbe ganz hervorragend …