New Shit happens

»(…) auf der anderen Seite kann ich auch die ehrlichen Leser verstehen, die die Zeche für diesen illegalen Scheiß mit bezahlen müssen. iBooks sind nicht nur günstiger, sondern auch Platz sparender (…)«

»(…) Bei mir ist es echt ein Platzproblem. Außerdem hab ich das Buch, was ich grade lese immer dabei. Mit einem Reader ist das einfach. Nit einem Taschenbuch, wird das schon schwieriger (…) «

»(…)  Von daher wäre ich raus, wenn Catalina auf das eBook verzichtet. Ich kann ihren Frust und Ärger zwar nur zu gut verstehen, aber es wäre schon sehr bitter, wenn wir ehrlichen Leser/Käufer auf diese Weise mit bestraft würden. (…) «

Dies sind ein paar Kommentare, die zu meiner Ankündigung geschrieben wurden, den nächsten Teil der Bullhead MC-Serie nicht vorrangig als eBook rauszubringen.
Vorweg: Ich will keine ehrlichen Leser bestrafen und mir dabei hämisch grinsend die Hände reiben, mit einer schneeweißen Perserkatze auf dem Schoß, während auf dem beeindruckenden Riesenbildschirm vor mir die ahnungslose Erdkugel erscheint und eine näselnde Stimme aus dem Lautsprecher tönt: “Weltherrschaft in … drei … zwei … eins …” (Gott,diese geile Kopfkino!)
Ich bin lediglich die Nuss, die beklaut wurde. Das dumme Toastbrot, das genau wie jeder andere Mensch irgendwie seine Rechnungen bezahlen muss. Und das sich langsam darüber Gedanken machen sollte, wie es das nächste Buch finanziert. Dieses Thema ist unangenehm für dich und für mich und hängt mir genauso zum Hals raus wie dir. Sorry. Ich hatte für heute auch andere Pläne.

Bevor ihr mir also Schuhe mit spitzen Absätzen an den Kopf werft, weil ich ernsthaft darüber nachdenke, euch zukünftig nicht vorrangig mit günstigen eBooks zu beglücken, denkt ganz kurz über die andere Seite der Medaille nach.
Klar sind eBooks für viele Leser bequemer, aber ich bin diejenige, die die Arschkarte in der Hand hält, auf der steht: FUCK YOU, FRAUTORIN. Euch geht lediglich ein praktisches Unterhaltungsformat verlustig. Für mich geht es schlicht um meine Existenz als Autorin.
Wenn eBooks illegal heruntergeladen werden, ist das nicht nur »ärgerlich«, sondern kann einen Autor ruinieren. Ex-Musiker, Ex-Indielabels und Ex-Bands können ein trauriges Lied davon singen. In einem sehr, sehr großen Chor.
Der massive Diebstahl meines Buches hat mich vor allem emotional sehr hart getroffen, aber auch finanziell musste ich bluten. Einen solchen Fehlschlag kann man sich als Autorin einmal leisten, beim zweiten Mal verdient man einen Idiotenorden, wenn man weitermacht wie bisher, ohne zumindest über Alternativen nachzudenken.

Urheber: Rasulov/Fotolia
Urheber: Rasulov/Fotolia

Ich liebe eBooks ebenso wie ihr. Das erkennt man schon daran, dass ich meinen Reader regelmäßig in der Badewanne ertränke, weil ich das Mistding nicht aus der Hand legen kann (ich habe daraus gelernt und lese beim Baden wieder gute alte Taschenbücher. Die flimmern nicht verhängnisvoll auf, wenn sie ins Wasser plumpsen, um sich dann endgültig abzuschalten).
eBooks kann man abends im Bett schmökern, ohne dass der übermüdete Männe sich im gleißenden Neonlicht der Nachttischlampe hin- und herwälzt (er behauptet jedenfalls hartnäckig, dass es ihm durch die geschlossenen Lider hindurch die Augäpfel versengt – Männer halt). Man hat seine Bibliothek immer dabei und kann sie problemlos nachfüllen. Man tut seinen Augen etwas Gutes, weil man die Schriftgröße frei wählen kann. Man zahlt weniger Geld als für ein gedrucktes Exemplar. Und man hat freiwillige Helfer, wenn man umziehen will. Wegen der nicht vorhandenen Bücherkartons, die jeder eine Tonne wiegen und in den achtzehnten Stock getragen werden müssen. In dem Haus mit dem kaputten Fahrstuhl.

Für Indie-Vollzeitautoren wie mich sind eBooks ein existenzielles Risiko. Ich veröffentliche sie nicht, weil ich so wahnsinnig rebellisch bin und digitale Bücher endgeil finde, sondern weil sie ein Produkt sind, das sehr gerne angekommen wird. Wenn jedoch der Großteil der Nutzer nicht bereit ist, dieses Produkt zu bezahlen, wäre es grenzdebil, diese ernüchternde Entwicklung zu ignorieren.
Nach der Erfahrung mit “Brother’s Keeper” war ich fest entschlossen, die Schreiberei aufzugeben. Die Motivation, mich noch einmal an die Tastatur zu setzen und ein neues Buch in Angriff zu nehmen, war schlagartig verpufft. Man sieht seine begeisterten Leser plötzlich mit anderen Augen und fühlt sich scheiße.
Von Haus aus bin ich Diplom-Designerin und Illustratorin. Es ist ein toller, ein kreativer Beruf, den ich sehr gerne gemacht habe und für Freunde auch heute noch mache. In diesem Job wird man außerdem bezahlt, wenn man seine Arbeit abliefert.
Schreiben ist auch eine großartige Sache. Ich liebe das Schreiben! Man kann es sehr schön als erfüllendes Hobby betreiben und sich nicht ums Veröffentlichen scheren. Nicht jeder Autor will unbedingt seine Kopfgeburten mit der Welt teilen. Ich schreibe ständig und viele meiner literarischen Ergüsse werde ich niemals auf die Öffentlichkeit loslassen (aus gutem Grund – Zwangsjacke und so –, aber es macht mir trotzdem höllisch Spaß, sie zu schreiben. Weitaus mehr, als Bauer sucht Frau zu gucken. Wäre auch nicht möglich, weil ich bekanntermaßen keinen Fernseher besitze. Aber GEZ-Gebühren zahle ich trotzdem – von den Einnahmen als Autorin, um das noch mal aufs Tapet zu bringen).

Sogar wir Autoren mit dem Kopf in den Wolken besitzen ordinäre Girokonten und die werden nicht auf mysteriöse Weise regelmäßig nachgefüllt. Autoren müssen die lästigen Dinger namens Stromrechnung oder Miete bezahlen und Lebensmittel einkaufen. Von der Steuerpflicht und der Krankenversicherungspflicht sind sie genau wie ihre Leser auch nicht ausgenommen.
Autoren sind nicht auf die Welt gekommen, um der Menschheit einen Dienst zu erweisen … sind sie natürlich doch, aber wenn die Menschheit diesen Dienst nicht honorieren mag, lassen sie resigniert den Stift fallen und schlurfen zurück nach Hause, um auf Madonnenschnitzer umzuschulen oder in der Fußgängerzone künftig auf einem Kanister zu trommeln und “Kumbaja my Lord” zu singen. Letzteres würde mich durchaus reizen, aber ihr habt mich noch nicht singen gehört. Und ihr wollt es auch nicht, glaubt mir.
Ich habe ja jetzt kein güldenes Denkmal für “Brother’s Keeper” erwartet, aber 4,99€ für 15 Stunden unterhaltsamer Lesezeit waren meiner Meinung nach auch keine Abzocke.
Hm, ich und meine Meinung würden sicher ein lustiges Duo in der Fußgängerzone abgeben. Einer von uns beiden könnte die Panflöte spielen, mit so einer bunten Troddelmütze auf dem Kopf.

Urheber: Peter Atkins/Fotolia
Urheber: Peter Atkins/Fotolia

Letztens habe ich mit den Film “The Whistleblower” mit Rachel Weisz und einer Länge von 109 Minuten ausgeliehen und dafür ebenfalls 4,99€ bezahlt (ein erschütternder Film; danach hatte ich eine schlechte Nacht). Diesen Film durfte ich 48 Stunden ansehen, dann verschwand er auf geheimnisvolle Weise von meinem Laptop. Im Kino zahle ich einige Euro mehr fürs Filmegucken. Dafür habe ich dann den zwei-Meter-Mann mit der Afrofrisur vor mir sitzen (das ist Naturgesetz; in der Reihe vor mir sitzt NIE Tyrion Lannister, sondern immer so ein The Rock-Verschnitt mit üppigem Haarwuchs), neben mir die pinkfarbene Tussi, die ununterbrochen mit ihrer Freundin herumgiggelt und auf der anderen Seite die pubertäre Bande, die Popcorn durch die Gegend schnippt und “Ey, der Film ist voll schwul!” brüllt. Nach einer Viertelstunde denke ich ernsthaft über ein Massaker im Kinosaal nach und wenn es ganz, ganz schlecht läuft, muss ich ein paar Stunden später kleinlaut meinen Männe anrufen und ihn bitten, den Anwalt aus dem Bett zu holen.

Ungefähr einen Monat lang habe ich mit mir gerungen, ob ich mich noch einmal auf das Risiko einlassen möchte, ein Buch als Indie-Autorin zu veröffentlichen, oder ob ich nicht besser in meinen gut bezahlten Brotjob zurückkehre. Mit dem Vertrauen in die Ehrlichkeit der Menschen ist das so eine Sache, wenn man einmal einen Schlag in die Fresse bekommen hat, der noch lange nachhallt.
Ich MUSS auf den Schaden reagieren, der mir zugefügt wurde.

Aktuell gibt es keinen sinnvollen Schutz gegen das illegale Verbreiten von eBooks. Die breite Öffentlichkeit hat auch andere Sorgen, als für uns Indie-Autoren auf die Straße zu gehen. Also müssen wir selber zusehen, wie wir klarkommen.
Dies sind meine Alternativen:

1. Viele Leser haben mich angeschrieben und gesagt, dass es ihnen sowieso lieber wäre, wenn es nur noch gute alte Papierbücher gäbe. Dahinter steckt sicher auch ein nostalgischer Gedanke. Für die Diebe ist es jedenfalls wesentlich umständlicher und qualitativ fragwürdiger, ein Taschenbuch Seite für Seite einzuscannen und als krummes PDF auf ein illegales Portal hochzuladen. Und zurückgeben können sie das Buch danach auch nicht mehr.
Das Klauen eines »richtigen« Buches aus einer Buchhandlung benötigt weitaus mehr kriminelle Energie als das Drücken eines Download-Buttons. Man muss sich an den breitschultrigen Hausdetektiven und dem Miep-MiepMiep-Dingens am Ausgang vorbeidrücken und dabei auch noch sexy aussehen, wegen der Überwachungskameras. Die Jungs an den Monitoren laden das Video möglicherweise auf Facebook hoch und dann sehen alle deine Freunde, wie du mit schweißnasser Stirn, unruhigem Blick und verdächtig ausgebeulter Jacke durch den Laden schleichst. “Ist die etwa SCHWANGER?” wird in den Kommentaren unter dem Video stehen.
Daher sind Taschenbücher und Hardcover eine ungefährliche Sache für den Indie-Autor (sieht man mal davon ab, dass er ein paar tausend Euronen an Druck-, Lager- und Vertriebskosten vorschießen muss, wenn er sein Buch in die Läden bringen will. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden).
Das zugehörige eBook würde ich erst dann veröffentlichen, wenn die Taschenbücher sich gut genug verkauft hätten, dass ich die nächsten Monate nicht singend und trommelnd in der Fußgängerzone verbringen müsste. Bisher lief es bei mir umgekehrt: Erst das eBook, dann die Printausgabe. Hat sich zuletzt nicht wirklich bewährt.

2. Ich könnte das Neuerscheinen eines Buches im eBook-Format über ein Crowdfunding vorfinanzieren lassen. Im Grunde würde der Leser dann die Funktion eines Verlages übernehmen, der dem Autor einen Vorschuss zahlt, damit dieser wiederum frei von finanziellen Sorgen sein Buch schreiben kann. Aber welcher Leser geht schon gern in Vorkasse, wenn er nicht mal weiß, ob das Buch gut oder scheiße sein wird? Ich halte diese Option für interessant, aber unrealistisch. Also ab in die runde Ablage damit.

3. Ich werde Verlagsautorin und der Rest geht mich nichts an. Für euch würde das bedeuten: Ja, es wird weiterhin eBooks geben und ja, sie werden teuer sein. Der Verlag übernimmt die Preisgestaltung und auch alles andere. Die Frautorin liefert lediglich das fertige Manuskript ab, setzt sich mit einem Gläschen Schampus in die Badewanne und ertränkt rituell ihren Kindle. Wenn das eBook gestohlen wird, ist es nicht mehr ihr Problem. Und Verlags-eBooks werden natürlich gestohlen, weil sie ja so verdammt teuer sind. Aber da klassische Verlage den Großteil ihres Umsatzes in den Buchhandlungen machen (da, wo ein paar verpeilte Leute versuchen, geklaute Bücher unter der Jacke rauszuschmuggeln), kann der Frautorin diese Problematik schnuppe sein. Nach mir die Sintflut, vor mir der Schampus im Schaumbad, hehe. Mist, warum geht der Kindle jetzt nicht mehr an?
Ich bin in der glücklichen Lage, ernsthaft über diese Alternative nachzudenken. Also, über die Verlagsgeschichte, nicht über den ersoffenen Kindle.

4. Ich schreibe nur noch hobbymäßig, wenn meine Zeit es erlaubt und verzichte aufs Veröffentlichen. Oder ich veröffentliche erst wieder, wenn es mir egal sein kann, was mit meinem Werk geschieht. Das wird ungefähr dann sein, wenn ich mich nicht zwischen dem blauen Lamborghini und dem knallroten Ferrari entscheiden kann. Der Lambo passt hervorragend zu meiner neuen Handtasche, aber ich weiß gar nicht mehr, welche Handtasche ich zuletzt gekauft habe … ich kann mich nur noch erinnern, dass mein Hündchen reinpasst. Wenn ich diesen Punkt erreicht habe, verschenke ich mein Buch auch gerne. Versprochen.
Ein nicht zu verachtender Vorteil: Ich darf beim Schreiben einen Hut aus Alufolie tragen und endlich die GANZE WAHRHEIT veröffentlichen – etwa meine These, dass Scannerkassen unsere Gedanken lesen, Bauer sucht Frau geheime Botschaften enthält und die Lidl-Kassiererin zur Vorhut einer Alienrasse gehört ist, die die Menschheit unterjochen will; sie guckt mich nämlich immer so verschlagen-wissend an. Die spioniert mich aus, ich weiß das. Aber ich habe sie durchschaut, ich bin ja nicht blöde.

5. Ich finde heraus, wer mich beklaut hat, und schicke ein paar grimmige Jungs vorbei, die meiner Empörung nachhaltig Ausdruck verleihen. Mithilfe von Teddys bewährtem Schlagkräftigen Argument aus Holz.
Ich weiß quasi, wer mich beklaut hat. Es sind mehrere tausend Menschen (bei 8500 habe ich, wie ihr wisst, aufgehört, die Downloads zu zählen). Die Uploader, die mein Buch kaufen, kopieren und es gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben, haben irgendwann auch ihre Daten beim großen A hinterlassen müssen. Die Server, auf denen sie die illegalen eBook-Kopien hochgeladen haben, befinden sich außerhalb der EU, die Webseiten besitzen kein Impressum. An die Daten ist auf juristischem Weg nicht mal eben heranzukommen und als Hacker bin ich eine Niete. Thema erledigt.

Natürlich werde ich nicht auf eBooks verzichten, aber ich bin auch nicht so dumm, keine Alternativen auszuprobieren. Das Veröffentlichen digitaler Bücher ist ein bisschen wie russisches Roulette: Wenn du Pech hast, fliegt dir alles um die Ohren.
Viele von euch wissen längst, dass ihr meine Bücher direkt bei mir auch im epub-Format erstehen könnt, ebenso wie signierte Taschenbücher.
Früher, als es keine eBooks gab, haben die Leute auch gelesen und das Abendland ging überraschenderweise nicht unter. Wenn mir nun einige Leser verärgert den Rücken zukehren, weil ich nicht tue, was sie erwarten, ist das bitter, aber die Kröte werde ich schlucken müssen. Ich hoffe natürlich, dass ihr das nicht tun werdet, denn unterm Strich wird es darauf hinauslaufen, dass wieder ein Autor mit seinen Büchern vom Markt verschwindet.

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