Buchrezension: „Rockerblut“ von Joanna Wylde

Buchrezension: „Rockerblut“ von Joanna Wylde

Knisternde Romane über kernige Rocker haben zurzeit Hochkonjunktur. Bad Boys mit Tattoos und schweren Maschinen, die in ihrer eigenen Welt nach eigenen Gesetzen leben … Spannendes Thema. Leider ist die romantische Verklärung des Themas für mich persönlich mitunter sehr ärgerlich (aber das gilt auch – wo wir gerade beim Thema »Rock« sind – für die zahllosen »Rockstar«-Romane, die meist im sehr seichten Gewässer der Bravo-Teenie-Pop-Chart-Schwärmerei umherdümpeln und mit Rockmusik ebensoviel zu tun haben wie Helene Fischer mit Death Metal).
Ärgerlich in diesem Fall, weil die OMGs (Outlaw Motorcycle Gangs) ihr Einprozenter-»Bad Guy«-Image nicht ihren schwarzen Kutten und den zauseligen Bärten verdanken. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die brutale Misshandlung und Enthauptung der 44-jährigen zweifachen Mutter Cynthia Garcia durch mehrere Hells Angels? An das Todesdrama 1969 auf dem Stones-Konzert, bei dem die Angels als Sicherheitstrupp angeheuert worden waren? Oder an die aktuellen blutigen Vorfälle der letzten Jahre in den neuen OMG-Hochburgen Skandinavien und Deutschland, bei denen Sprengsätze, Schußwaffen, Stichwaffen zum Einsatz kamen? Als Ex-Polizistin tu ich mich etwas schwer, verklärte Romane aus dieser Kategorie gut zu finden. Vielleicht befürchte ich ja, dass eine unbedarfte Leserin nach der Lektüre eines solchen Romans in die nächste Rockerkneipe stolpert, in der Hoffnung auf ein romatisches Stelldichein mit so einem lederbekleideten sexy Bad Guy – um am Ende in einer Kiesgrube als Opfer einer „Train“ zu landen. Okay, so dumm ist sicher niemand. Es sind fiktive Romane, das wissen wir alle, gell?
BTW: Wer sich für die Realität hinter dem Thema interessiert, schaue sich mal die Bücher von Stefan Schubert, Jay Dobyns oder auch Sanya Pinar an, die als Hure für die Hells Angels arbeiten musste.

Jetzt aber zum eigentlichen Thema:
Rockerblut ist der zweite in sich abgeschlossene Roman über die amerikanische Bikergang Reapers und natürlich ihre Ladies. Teil eins habe ich ebenfalls goutiert und möchte hiermit meine uneingeschränkte Empfehlung für beide Bücher aussprechen.
Die Autorin betont im Vorwort, dass sie zugunsten der Story die Realität der Biker-Szene ausgeblendet hat. Joanna Wylde ist Journalistin; sie hat (nicht nur für die Romane) in der Szene recherchiert, mit Clubmitgliedern eines Outlaw-Bikerclubs gesprochen und ihr Skript vorab von einer Frau, die ebenfalls einem OMG angehört, sichten lassen, bevor sie es veröffentlichte. Bei der Lektüre merkt man denn auch, dass die Autorin, auch wenn sie einen fiktiven Liebesroman geschrieben hat, sich tatsächlich sehr gut in dem Milieu auskennt.
Teil eins trägt den ziemlich bescheuerten Titel Rockersklavin und ist einen Tick härter als der Nachfolgeband Rockerblut. Beide Romane sind nichts für zartbesaitete Blümchenpflücker und Duftkerzenfreunde, soviel vorab. Sie werden unter Belletristik geführt, aber ich würde sie in den Bereich Erotik einordnen; mit sehr direktem Sex wird nämlich nicht gegeizt. Aber es gibt auch eine spannende Story …

Bildschirmfoto 2015-03-28 um 13.18.52Worum geht es?
Klappentext, bittesehr: Sophies Leben gerät immer mehr aus den Fugen: Nachdem sie in der ersten Liebesnacht mit Zach schwanger wurde, ließ dieser sie mit ihrem kleinen Sohn sitzen. Jetzt, acht Jahre später, taucht auch noch Zachs Stiefbruder Ruger – das Mitglied einer zwielichtigen Rockerbande – auf und will sich als Beschützer aufspielen. Zwar weiß Sophie, dass Ruger, der furchteinflößende und muskulöse Biker des Reapers Motorradclubs, gefährlich ist, aber gerade das macht ihn auch so verdammt anziehend. Lange kann sie der Versuchung nicht widerstehen, und erfährt schon bald am eigenen Leib, dass man nicht nur auf einem Motorrad einen heißen Ritt wagen kann.

Das Cover
Das Cover gefällt mir mal so gar nicht. Wenn ich Teil 1 nicht gelesen hätte: Dieser lagnweilige Einband hätte mich nicht hinter dem Ofen hervorgelockt, gegen die „Rocker“-Reihe von Bärbel Muschiol stinkt diese Gestaltung leider völlig ab. Schwarzweiß mit rotem Titel in Blockbuchstaben und roten Lippen gab es auch schon beim ersten Roman, von daher ist die Gestaltung stringent. Aber diese Frau, die von Haltung und Optik her eher einer Schaufensterpuppe ähnelt und anscheinend verkehrt herum auf einem Sozius hängt … Ähm?
Ach so: Über den nicht minder blöden Untertitel Verbotenes Verlangen sollte man auch besser den Mantel des Schweigens breiten. Lieber Verlag: Echt jetzt?

Die Charaktere
Ruger fällt in die Kategorie raue Schale, rabiates Benehmen und weicher Kern. Kinderlieb ist er auch noch. Eine starke, kantige Persönlichkeit, die gar nicht erst fragt, wenn sie etwas will. Sophie steht ihm in nichts nach. Sie will nichts mit dem Bikervolk zu tun haben, will möglichst selbst klarkommen, ihrem Sohn ein anständiges Leben bieten und bringt auch eine gute Portion Selbstachtung mit. Die anderen Figuren sind keine Pappkameraden und Stichwortgeber, sondern bringen Eigenständigkeit mit. Einige kennt man schon aus Teil 1, andere werden uns mit Sicherheit als Protagonisten im nächsten Band beglücken 🙂
Die Protas dieses Bandes sind durch die Bank mit Tiefe ausgestattet und haben ordentlich Ecken und Kanten. Unsympathisch oder langweilig fand ich persönlich keinen. Einzig Zach war mir ein bisschen zu bösewichtig.

Die Story
Es ist ein Liebesroman, und zwar ein ziemlich derber und direkter. Sophie ist kein Glamour-Girl, sondern eine alleinerziehende Mutter, die beim „ersten Mal“ schwanger und vom (ziemlich fiesen) Vater sitzengelassen wurde und sich nun abstrampelt, um über die Runden zu kommen. Ruger, der Bruder des Mistkerls, fühlt sich auf seine reichlich derbe Art verantwortlich für Sophies Sohne, weil er zufällig Geburtshilfe leisten musste. Er hält Sophie für unfähig, ihre Mutterrolle zu erfüllen und wie erwartet, kracht es einige Male gehörig zwischen den beiden. Blöderweise ist Sophie schwer auf Ruger fixiert, obwohl ihr Verstand versucht, dazwischenzugrätschen. Sie will auf keinen Fall, dass ihr Sohn in die kriminelle Welt der Reaper hineingezogen wird.
Bald jedoch wird ihr klar, dass so eine Bikergang auch einen Schutz darstellt, wenn man „dazugehört“. Aber das würde bedeuten, dass sie Rugers „Eigentum“ werden muss und allein mit diesem Begriff hat sie verständlicherweise ein massives Problem. Sie ist ja kein devotes Dummchen …

Das Setting
Wir sind in den südlichen USA, es ist heiß, staubig und der Himmel blassblau. So jedenfalls stelle ich es mir während der Lektüre vor. Ein Großteil der Geschichte spielt in dem Refugium der Reaper oder in Rugers großzügigem Haus (ein Einprozenter lebt nicht gerade von Almosen). Sämtliche Handlungsorte sind knapp, aber lebendig und detailliert genug wiedergegeben, um ordentlich Bilder im Kopf zu erzeugen.

Der Schreibstil
Direkt ist das erste, was mir zu Joanna Wyldes Schreibstil einfällt. Sie nimmt kein Blatt vor dem Mund, benutzt keine peinlichen Synonyme und schwurbelt nicht lange um den heißen Brei herum. Sie schreibt auf den Punkt, lebendig und knackig und überschüttet den Leser nicht mit einer Wagenladung nervender Adjektive oder verknurpster Pseudo-Erotik. Mir gefällt ihr Schreibstil; ich bin quasi durch das Buch geflutscht beim Lesen. Und die heißen Stellen sind definitv heiß; nix mit Blümchensex.
Die gelungene Übersetzung stammt übrigens von Ramona Wilder.

Mein Fazit
Wer die Nase voll hat von reichen dominanten Millionären, von dümmlichen, passiven Studentinnen, die sich im Luxus-Milieu den Hintern versohlen lassen, wer gern mal ein bisschen gefährlichen Wind um die Ohren haben und in die Outlaw-Biker-Welt hineinschnuppern möchte, wer die Schnauze voll hat von modischen Tribal-Tattoos und vor direkter Sprache und knackigen Szenen nicht zurückschreckt: Klare Empfehlung!
Meine einzigen Minuspunkte sind einmal das Cover (was aber Meckern auf hohem Niveau ist; da hat der Verlag gebockmistet, nicht die Autorin) und zum Anderen ein Rückblick auf ein Techtelmechtel zwischen Sophie und Ruger, mit dem ich nicht gerechnet habe.
Das tut der spannenden, heißen Story aber keinen Abbruch.

5 von 5 Sternen

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Erhältlich als Taschenbuch und eBook
Dateigröße: 1104 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 368 Seiten
Verlag: Lago (9. März 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3957610192
ISBN-13: 978-3957610195
ASIN: B00QIZRG6W

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