Bei dem Titel stutzte ich erst, dann las ich den Untertitel (»Erotischer Kriminalroman«), sah kurz Sharon Stone vor meinem inneren Auge, wie sie lasziv ein Bein über das andere schlägt, und dachte: Jepp, muss ich lesen.
Die Autorin hat mir freundlicherweise ein Freiexemplar zur Verfügung gestellt und eigentlich musste ich erst noch dringend dieses andere Buch zu Ende lesen … aber nur mal kurz einen Blick reinwerfen … und so.
Ihr kennt das.
Zwei Tage und knapp 150 Seiten später wusste ich, wer den tödlichen Blowjob zu verantworten hatte und warum die Uschi (ihrem Namen wird immer ein »die« vorangestellt, als wäre die Arme nicht schon gebeutelt genug) in den Fokus der ermittelnden Beamten gerät – auf mehr als eine Weise, aber lest das Buch doch selbst!
Das eBook ist bei Amazon in der Ausleihe kostenlos erhältlich, aber meiner Meinung nach ist es seinen regulären Preis von 2,99€ durchaus wert; es steckt nämlich lesbar Arbeit drin. Man hat es hier nicht mit einem holprigen „Ich-kann-auch-schreiben“-SP-Erguss zu tun, sondern mit einem stilistisch sauberen, gut geschriebenen kleinen Roman.
Mit der Story selber habe ich persönlich gehadert, aber wie bei Vielem ist auch dies Geschmackssache.
Worum geht es?
Klappentext: Uschi Voss schreibt Drehbücher für Pornofilme, führt ansonsten aber ein wenig aufregendes Leben. Das ändert sich schlagartig, als am Set plötzlich eine Darstellerin stirbt. Von einem Moment zum anderen gerät Uschi in eine Mordserie, die immer mehr ihrer Kollegen das Leben kostet. Zudem erhält sie nun unerwartet die Aufmerksamkeit einiger attraktiver Männer. Ist unter ihnen der, der nicht nur ihr Bett, sondern auch ihr Herz erobern kann? Oder versteckt sich hinter der Maske des Liebhabers sogar der Mörder?
Das Cover
Also, wenn ich eine Cover-Käuferin wäre (was ich eindeutig bin), dann hätte ich diese Buch übergangen. Das Cover ist leider so gar nicht meins. Großer roter, freigestellter Mund und der Titel dominieren das Bild, dahinter ist grau auf altrosa die Silhouette einer am Boden liegenden Frau nebst männlichem Schatten zu sehen. Da der Mund einen Teil der Hintergrund-Szene verdeckt, musste ich kurzfristig rätseln, welche Haltung die Frau am Boden einnimmt. Einladend-lasziv? Oder schlicht dahingeschieden? Okay, im Titel steht was von »tödlich« – Spekulation beendet.
Das Cover wirkt sehr, ähm, aufgeräumt (»aufgeräumt« ist hier der kleine Bruder von »langweilig«). Insgesamt macht das Cover das Eindruck, als wäre es aus verschiedenen Elementen zusammengeklickt worden; die Clipart im Hintergrund wirkt zudem altmodisch. Eine professionellere, knackigere Gestaltung wäre dem Roman definitiv zuträglicher gewesen. Erotik, Mord, Milieu – das schreit ja geradezu nach Bildsprache!
Die Charaktere
Die Uschi ist schon eine Witzige. Endlich mal keine perfekte Frau im Stil von Das-nette-Mädchen-von-nebenan-das-zufällig-wie-ein-Topmodel-aussieht-und-trotzdem-Single-ist-weil-schwere-Vergangenheit-und-so. Nee, die Uschi ist eine ganz normale Frau, die mit ihrer Figur hadert, Birkenstocks trägt, ihr Heim mit einem depressiv angehauchten Basset teilt und gar lasterhafte Tagträume pflegt – und diese in ihrem Job als Porno-Drehbuchautorin zu Papier bringt (bis dato wusste ich nicht, dass es in der Pornofilm-Branche überhaupt Bedarf für Drehbuchautoren gibt; wird der, nun, Handlungsablauf nicht einfach auf ein DIN A4-Blatt runtergekritzelt und dann ab die Post?)
Man könnte die Uschi sympathisch finden, dennoch musste ich die ganze Zeit denken: Wenn die Dame nicht permanent mit ihrem Äußeren hadern würde, dann wäre sie eine waschechte Dorfmatratze. Eine Schlampe. Spitz wie Nachbars Lumpi. Und alles andere als brav, wenn man ihren kleinen Nebenjob in die Gleichung mit einbezieht. Der ihr – mehr oder weniger – aufgenötigte Sex mit zwei promiskuitiven Polizeibeamten hat sie in meinen Augen endgültig in die Riege der Möchtegern-Bitches katapultiert. Trotzdem kommt die Uschi insgesamt sympathisch rüber, was hauptsächlich dem lockeren Schreibstil geschuldet ist.
Die anderen Protagonisten bleiben verhältnismäßig blass. Martin Fischer bekommt ein paar typische vom-Job-gebeutelter-Kommissar-Eigenschaften mit – leicht knittrig, müde, sarkastisch und misstrauisch – und eine Altlast, die er dank Uschi endlich abschütteln kann. Uschis Schwester, die Nervensäge, kam nicht so nervensägig rüber, wie Uschi uns weismachen will; da hätte ich mehr Zicke erwartet (by the way: wenn die beiden sich nicht abkönnen, warum kommt die Schwester dann doch immer vorbei? Masochismus? Oder Hassliebe? Daraus hätte man was machen können. Aber zum Schluss ist eh alles gut …)
Sämtliche anderen Figuren werden eher oberflächlich gestreift, aber immer noch ausreichend, um sie lebendig genug werden zu lassen. Anfangs lag soviel Augenmerk auf den Hauptdarsteller des aktuellen Horizontaldrehs, Mark Power (sic!), dass ich dachte, er würde eine der Hauptrollen spielen. Eine Zeitlang tat er das auch – sehr zu Uschis Freude übrigens … .
Was die Bösewicht-Rolle angeht, da hatte ich das Gefühl, dass die eher widerwillig reingeschrieben wurde; schließlich musste der Fall ja zur allgemeinen Zufriedenheit geklärt werden. Ich konnte diesem Charakter rein gar nichts abnehmen, da er auf mich schablonenhaft und somit nicht recht glaubwürdig wirkte. Sehr, sehr schade.
Die Story
Erotischer Kriminalroman steht drauf und das kriegt man auch. Wobei Erotik hier kein feinfühliges Knistern meint, sondern mehr die explizite Ich-besorg’s-dir-bis-du-schreist-Richtung einschlägt. Das passt zum Setting; wir bewegen uns ja in der Pornofilm-Branche, wo man sich nicht lange mit zartem Kuscheln aufhält. Der Krimi hätte gern mehr Krimi sein können. Ehrlich gesagt fand ich die Story zum Schluss an den Haaren herbeigezogen, dabei fing sie verheißungsvoll an. Die Auflösung hat mich nicht befriedigt, das war ein bisschen wie beim Tatort: Oha, die Folge nähert sich dem Ende, wir brauchen jetzt flott einen Täter. Zack-bumm, bittesehr, da isser. Und das klassische »Du willst wissen, was ich getan habe? Also, das war so …« durfte auch nicht fehlen. Dass heutzutage immer noch Roman-Mörder umgehen, die im Showdown ihre Taten vor der röchelnden Zeugin ausbreiten (und dabei hin und wieder diabolisch lachen), hat irgendwie auch etwas Sympathisches. Allerdings hätte ich mich über etwas mehr Raffinesse auch nicht beschwert.
Wer sich mit Polizeiarbeit auskennt (wie gewisse Ex-Polizistinnen, die Buchrezensionen schreiben), wird an ein, zwei Stellen stutzen, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Der Roman funktioniert trotzdem.
Das Setting
Der Handlungsorte gibt es nicht viele, aber diese sind sehr gut in Szene gesetzt worden. Es wird nichts zu Tode beschrieben, dennoch hat man ein Bild vor Augen. Der Drehort der Muschimania (lasst euch diese Wort auf der Zunge zergehen, Leute!) Filmproduktion ist wirklich gut rübergebracht worden.
Der Schreibstil
Ein Wort: Wirklich super! (Mist, das waren zwei Worte).
Der Schreibstil ist locker, lebendig, flüssig, weder gestelzt noch bemüht. Nirgendwo wird man aus der Story rausgerissen. Die Geschichte wird aus Uschis Sicht erzählt und bringt viel von ihrer Persönlichkeit herüber. Allein wegen Frau LaSalles Schreibe habe ich das Buch flott goutiert. Die einzigen zwei Kritikpunkte, die ich anmerken könnte, wäre die übermäßige Beschreibung aller Beteiligten am Anfang; das waren mir zu Beginn zu viele Namen und Personen und brachte mich lesetechnisch kurz ins Stolpern (zumal ich mir die Namen nicht alle merken konnte), und die vielen Adjektive. Aber auch hier wieder: Nörgeln auf hohem Niveau. Ich habe verdammt schlechter geschriebene Romane von bekannteren Autoren gelesen. Der Roman ist sauber korrigiert und editiert worden. Großartig, ganz besonders für einen Erstling! Allein wegen der Schreibe lohnt es sich, auch einen Blick in das nächste Buch von Laura LaSalle zu werfen. Chapeau.
Mein Fazit
Ich tue mich schwer, das Buch zu bewerten. Der Schreibstil ist klasse, es gibt einen guten Spannungsbogen und lustige Situationen.
Der Krimianteil war mir persönlich zu zurechtgedengelt, zu wenig nachvollziehbar, und die Uschi wäre jetzt auch nicht so mein favorisierter Frauentyp. Frau LaSalle hat es aber trotzdem geschafft, Uschi, die rundliche Birkenstock-Trägerin mit der inneren notgeilen Bitch, sympathisch rüberkommen zu lassen. Das muss man auch erst mal schaffen. An der Erotik werden sich die Geister scheiden. Für meinen Geschmack war’s zu sehr »Wham! Bam! Thank you, Ma’am« – was wiederum natürlich zur Story passt.
Man muss sich im Klaren sein, dass man es hier nicht mit einem knistrigen Liebesroman mit expliziter Romantik zu tun hat (explizite Romantik: Gut, gell? Widerspruch in sich, aber egal …), sondern einem Krimi im Pornomilieu und einer latent promisken Heldin.
Der Klappentext suggeriert neben dem Krimianteil ein bisschen Lovestory, da hätte es gern mehr diese gewisse Gänsehaut sein können und eben auch mehr raffinierter Krimi.
Ein bisschen wirkte es, als wäre sich das Buch selbst nicht ganz im Klaren, was es denn nun will: Sex? Thrill? Oder doch die große Liebe? Oder alles drei? Den Spagat muss man auch erst mal schaffen.
Unterhaltsam und gut geschrieben ist der Roman allemal und meinetwegen hätte er gern 100 Seiten länger sein können
Ich kann daher nur eine Empfehlung aussprechen und euch raten, selbst euer Urteil zu bilden. Für ein Debüt ist es jedenfalls verdammt gut.
3,5 von 5 Sternen
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Tödlicher Blowjob: Erotischer Kriminalroman
Laura LaSalle
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Erhältlich als Taschenbuch und eBook
Dateigröße: 315 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 158 Seiten
Verlag: Amazon Media EU S.à r.l. (29. September 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 15143023572
ISBN-13: 978-1514302354
ASIN: B00ZDDQI2I