Demon Inside – Bullhead MC V — LESEPROBE

Heute gibt es die versprochene Leseprobe aus dem fünften Band der Bullhead MC-Serie “Demon Inside”. Die Story ist ist düsterer als ihre Vorgänger, aber ebenso spannend und heiß und natürlich gibt es auch hier ein Wiedersehen mit vielen lieb gewonnenen Charakteren 🙂
Das Buch ist wieder einmal ein dicker Klopper geworden mit über 640 Seiten (Amazon-Taschenbuch) bzw über 700 Seiten (stationärer Buchhandel; Hard- und Softcover). Das eBook verspricht eine durchschnittliche Lesezeit von 15-20 Stunden.
Viel Spaß!

Demon Inside

Prolog – Zwölf Jahre zuvor
Auf den ersten Blick könnte man den Jugendlichen, der mit einer Gitarrentasche über der Schulter durch den Park eilt, für einen Musikschüler halten, der zu spät zum Unterricht kommt.
Niemand ahnt, dass er in Begriff ist, einen Mord zu begehen.
Er hat die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schwarze Haarspitzen kringeln sich um die Wangen, die Augen liegen im Schatten. Seine Kleidung ist von gedeckter Farbe: dunkelgrauer Parka und khakigrüne Hose. Tiefes Schwarz ist ungeeignet, wenn man tagsüber unauffällig sein will, das hat er von seinem Vater gelernt. Die Schuhe, die er trägt, sind ihm zwei Nummern zu groß. Er musste drei Paar Socken anziehen, damit sie nicht an den Füßen schlackern.
Im Laufen wischt er die feuchtkalten Hände an der Jeans ab und widersteht dem Drang, sich umzuschauen. Es ist später Nachmittag, die Sonne schickt blassgoldene Strahlen durch die Baumkronen. Ein kleiner Hund bellt ihn an und wird von seinem Besitzer zurückgezerrt. Rund um den See ziehen Jogger ihre Bahnen.
Sein Weg führt ihn zum Waldrand jenseits der Liegewiese. Auf den Schildern im Unterholz steht NATURSCHUTZGEBIET – BETRETEN VERBOTEN. Er ist diese Strecke in den letzten Tagen mehrfach abgelaufen und hat dabei die Zeit gestoppt.
Der kaum erkennbare Pfad schlängelt sich durch wild wucherndes Gestrüpp, vorbei an einem sumpfigen Teich und verliert sich unter hohen Eichen. Ab hier muss er seinen Markierungen folgen, den kurzen Stöckchen, die er in den Boden gesteckt hat. Ein Blick auf die Armbanduhr zeigt ihm, dass er gut im Rennen liegt. Das Gitarrenbag schlägt bei jedem Schritt gegen seinen Rücken. Er muss aufpassen, dass er nicht mit der Tasche hängenbleibt. Der Boden ist weich, die Abdrücke seiner Schuhsohlen zeichnen sich deutlich ab. Er klettert einen Hang hinauf und kämpft sich voran, darauf achtend, keine Zweige abzubrechen. Neben einer Buche mit tiefhängenden Ästen bleibt er stehen und drückt sich gegen den Stamm. Dies ist der höchste Punkt der Umgebung. Unter ihm breiten sich Felder aus. In der Ferne kann er den Schotterweg erkennen – eine helle Linie in der grünbraunen Umgebung. Der verfallene Viehunterstand am Wegrand ist fast vollständig von Nesseln und Brombeergestrüpp überwuchert, krumme Zaunpfosten ragen aus dem Gras.
Jared nimmt die Gitarrentasche ab und holt die dicke Plastikplane aus dem Seitenfach. Sorgfältig breitet er sie auf dem Boden aus, dann öffnet er das Hauptfach. Das G22 liegt sicher eingebettet in seinem Schaumstoffnest. Mattschwarzes Metall, schlanker Lauf. Dieses Gewehr ist das teuerste – das einzige – Geschenk, das er je von seinem Vater bekommen hat, darum liebt er es. Mehrmals am Tag nimmt er es auseinander, um es in Rekordzeit wieder zusammenzusetzen, oft mit einer Binde über den Augen. Jedes winzige Detail ist ihm vertraut, von der herausgefrästen Seriennummer bis hin zu dem befriedigenden Klacken, wenn er den Kammerstängel des Verschlusses zum Durchladen zurückzieht. Die Waffe wurde für die Scharfschützen der Bundeswehr entwickelt und für Ziele bis achthundert Meter Entfernung konzipiert. Die Distanz zu dem Feldweg mit dem alten Viehunterstand beträgt neunhundertvierundachtzig Meter. Mit diesem Gewehr hat er auf Ziele bis tausend Meter geschossen und immer getroffen.
Sein Vater hat ihm das G22 zum vierzehnten Geburtstag geschenkt. Vorher hatte er nur mit den Pistolen seines Dads auf dem Schießstand üben dürfen, und er erinnert sich auch jetzt noch, drei Jahre später, an das warme Glücksgefühl, das ihn überflutete, als er es zum ersten Mal in die Hand genommen hat.
»Im Club wissen sie natürlich Bescheid über dieses Geschenk«, hat Sick Man, sein Dad, gesagt. »Niemand sonst darf davon erfahren, hast du verstanden?«
Jared hatte auf den Hinweis verzichtet, dass er nicht blöd sei. Er hat auf die harte Tour gelernt, sich vor dem aufbrausenden Charakter seines Vaters in Acht zu nehmen. Mit neunmalklugen Bemerkungen tut man sich keinen Gefallen. Aber es erfüllte ihn mit unbändigem Stolz, dass sein Vater auf seine Verschwiegenheit vertraute. Fast, als wäre er bereits Teil der Bruderschaft, der Sick Man angehört.
Jetzt hebt er die Waffe behutsam aus der Tasche, klappt das Zweibein und die Schulterstütze heraus und schiebt das Magazin in die Halterung, bis es spürbar einrastet. Er schraubt das Schalldämpferrohr auf, wohl wissend, dass der Schuss dadurch längst nicht unhörbar sein wird. Lediglich der Mündungsknall der Munition wird teilweise gedämpft. Gegen den Überschallknall des Geschosses kann keine Technik der Welt etwas unternehmen. Trotzdem werden sie eine Weile brauchen, bis sie wissen, aus welcher Richtung der Schuss kam.
Er legt sich auf die Plane und richtet sich und die Waffe aus. Seine Position ist gut gewählt, der Schatten des mächtigen Baumes und das Gestrüpp verbergen ihn. Sorgfältig stellt er das Visier des Zielfernrohrs ein. Das G22 ist ein Repetiergewehr; nach jedem Abschuss muss manuell durchgeladen werden. Das bedeutet, dass der erste Schuss sitzen muss, weil er möglicherweise keine Zeit für einen zweiten hat. Aber der vermeintliche Nachteil hat auch einen Vorteil. Bei einem halbautomatischen Gewehr würde sich die Waffe mit jedem Nachladevorgang um eine Winzigkeit verschieben.
Im Magazin befinden sich vier Überschallgeschosse. Ich schaffe das, redet er sich zu. Vier Kugeln sind mehr als genug.
Die extreme Distanz zum Ziel ist bei dieser Unternehmung der kritischste Faktor. Geschosse sausen nicht schnurgerade durch die Luft, sondern beschreiben einen flachen Bogen, beeinflusst von Seitenwind und Gravitation. Auf dem Weg bis zum Einschlag kann vieles geschehen. Doch näher kommt er nicht an sein Ziel heran, ohne das Risiko einzugehen, entdeckt zu werden. Die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschusses liegt auf dieser Distanz bei zwanzig Prozent. Bisher hat er immer getroffen.
Allerdings hat er bisher auch noch nie auf einen Menschen schießen müssen.
Die ansteigende Nervosität verändert seine Atemfrequenz. Er schließt die Augen und vollführt sein Beruhigungsritual: Einatmen, bis fünf zählen, langsam ausatmen. An Lea denken. In seiner Erinnerung lächelt sie ihn verstohlen an. Das tut sie oft, wenn sein Vater es nicht mitbekommt. Ihr Lächeln ist winzig, doch es stellt verrückte Sachen mit ihm an. Auch wenn sie lange nicht so üppig gebaut ist wie die anderen Clubhuren und kaum Kurven besitzt, ist sie dennoch das hübscheste Mädchen, das Jared je gesehen hat. Ihre langen Beine erinnern an ein Fohlen und ihrem Gesicht sieht man das Kind an, das sie eigentlich noch ist. Er sehnt sich danach, mit den Fingern durch ihr glattes blondes Haar zu kämmen, ihre Haut zu berühren und ihr tröstende Worte zuzuflüstern. Wann immer sie ihm einen heimlichen Blick zuwirft, sieht er den Hilferuf darin.
Lea ist etwa so alt wie er selbst und sie gehört seinem Dad. Er hat sie wenige Monate zuvor vom Vizepräsidenten seines MCs abgekauft und ihr am gleichen Tag noch ein Tattoo auf die Arschbacke stechen lassen. Property of Sick Man.
Sie redet wenig, antwortet oft nur mit Ja oder Nein, wenn sie etwas gefragt wird. Sein Vater bringt Lea manchmal mit nach Hause, damit sie kocht und putzt und anschließend vor seinem alten Herrn auf die Knie sinkt, um seinen Gürtel zu lösen. Sick macht sich selten die Mühe, mit ihr ins Schlafzimmer zu verschwinden. Er vögelt sie, wo, wie und wann es ihm beliebt. Sick nimmt sie grundsätzlich von hinten. Er mag es hart und grob, er mag es, wenn sie vergeblich darum kämpft, ihre Schmerzensschreie zu unterdrücken. Ihr Schluchzen feuert ihn an. »Verfickte trockene Pussy«, knurrt er regelmäßig, ihren Kopf am Haar nach hinten reißend. Spätestens dann flüchtet Jared in sein Zimmer, verfolgt vom spöttischen Lachen seines Dads. »Ist es dir peinlich, zuzusehen, wie ich meine Kleine durchnehme oder geht dir dabei einer ab?«, ruft er ihm hinterher. »Das stört mich nicht, Boy.« Ihr schmaler nackter Leib ist äußerst hübsch, doch in Kombination mit ihren rotverweinten Augen und der schmerzverzerrten Miene verursacht der Anblick bei Jared nur Übelkeit. Sein Dad predigt ihm ständig, er müsse stärker werden, dürfe sich keine Weichherzigkeit erlauben. »Niemand wird dich respektieren, wenn du Mitleid mit Schwächlingen zeigst. Sie werden denken, du seist angreifbar.«
Jared ringt mit sich, ob er ein Feigling ist, weil er Lea nicht hilft, oder ob sein Dad Recht hat. Fakt ist, dass er gar nicht helfen könnte. Sollte er wagen, sich einzumischen, würde Sick Man kein Erbarmen kennen. So einfach ist das.
Sick hat Erfahrung damit, eine Frau auf Spur zu bringen, wie er es nennt. Er gehört zur Rotlicht-Truppe des Clubs, die die Bordelle betreibt. Er bestraft Lea grundsätzlich so, dass keine Spuren zurückbleiben, sie die Schmerzen aber noch tagelang spürt. Nur einmal verlor er die Beherrschung, als sie ganz zu Anfang leise über den starken amerikanischen Akzent seines Vaters gekichert hatte. Was darauf folgte, wird Jared seinen Lebtag nicht vergessen. »Du musst den Bitches von Anfang an beibringen, wie sie sich zu benehmen haben, sonst tanzen sie dir auf der Nase herum«, stieß sein Dad schnaufend hervor, nachdem er mit ihr fertig gewesen war. Die nackte Lea lag schluchzend am Boden, das Gesicht, den Rücken und die Schenkel blutverschmiert. Jared hat sich gewünscht, er könnte … Doch er stand nur da, die Fäuste geballt, die Nackenmuskeln schmerzhaft angespannt. Mit aller Gewalt kämpfte er darum, nicht zu kotzen.
Sein Zorn war ihm anzusehen, denn sein Vater grinste verächtlich und verbot ihm, sich dem Mädchen zu nähern. »Die Kleine gehört mir, Boy. Solltest du sie je anrühren, breche ich dir jeden Finger einzeln.« Er fädelte den Gürtel wieder ein, der die tiefen Striemen auf ihrer Haut hinterlassen hatte. »Ruf den Clubarzt an. Morgen muss sie wieder arbeitsfähig sein.«
Der Gedanke an die Szene führt dazu, dass seine Schultermuskeln sich erneut versteifen und er wiederholt seine Atemübung. Es ist ihm unmöglich, auch nur eine Minute allein mit Lea zu verbringen. Sein Dad bewacht sie wie ein Schießhund. »Hast dich in die Kleine verknallt, eh? Nicht gut, glaub mir. So ein Shit verwirrt dich nur und lässt dich die falschen Entscheidungen treffen. Kontrolle – darum geht es.« Sick Man ist ein Bär von einem Mann und trägt immer noch den gleichen Haarschnitt wie zu seinen Army-Zeiten. Nicht einmal das Tattoo seiner Einheit hat er sich überstechen lassen – als Mahnung, wie er sagt. Man hat ihn unehrenhaft aus der US-Army entlassen, Jared hat nie erfahren, warum. Er weiß nur, dass sein Vater seinem Geburtsland anschließend verbittert den Rücken gekehrt und in einem deutschen MC ein neues Zuhause gefunden hat.
Seine Bikerbrüder nennen ihn Sick Man, weil er einige Dinge getan hat, über die in Jareds Gegenwart niemand ein Wort verliert. Im Club begegnet man ihm mit einer Mischung aus Angst und Respekt. Anfangs war Jared seltsam stolz darauf, diesen Mann als Vater zu haben, doch mittlerweile grübelt er immer öfter über richtig und falsch nach. Die Clubhuren geben sich verzweifelt Mühe, nicht von ihm bemerkt zu werden. Einmal hatte Jared den Fehler begangen, ihn vor seinen Clubbrüdern Dad zu nennen. Die Abreibung, die daraufhin folgte, hat er bis heute nicht vergessen. »Ich bin Sick Man, nicht dein verfluchter Daddy, der dir Gutenachtgeschichten erzählt!« Vielleicht war dies der Zeitpunkt, da er insgeheim anfing, seinen … Sick Man kritischer zu betrachten. Vielleicht wurde er auch nur erwachsen.
Seine Gedankengänge brechen jäh ab, als er Bewegung in der Ferne wahrnimmt. Zwei Limousinen nähern sich von Norden. Sie verlangsamen und kommen gute dreihundert Meter vor dem alten Viehunterstand zum Stehen. Er unterdrückt einen Fluch. Warum halten die dort hinten?
Aus der anderen Richtung braust ein dunkler Transporter heran, bremst vor dem Stall ab. Der Fahrer betätigt die Lichthupe. Die vordere Limousine bestätigt das Signal mit zweimaligem Aufleuchten, ohne sich jedoch in Bewegung zu setzen. Langsam rollt der Lieferwagen auf die beiden Fahrzeuge in der Ferne zu.
»Das war so nicht abgemacht, ihr Arschlöcher«, murmelt Jared und justiert das Zielfernrohr neu. Das Gras vor ihm gerät in Bewegung, als eine Böe darüberstreicht. Wolken schieben sich vor die Sonne. Er hebt den Kopf und spürt die Kälte des Windes auf der Haut. Die Distanz zu den drei Fahrzeugen beträgt nun über tausendzweihundert Meter. Sein Zielfernrohr mit der sechzehnfachen Vergrößerung ist nicht zuverlässig genug für Entfernungen über tausend Meter. Er wird sich vor allem auf sein Gefühl verlassen müssen. Die Wahrscheinlichkeit eines präzisen Treffers dürfte jetzt noch bei fünfzig Prozent liegen.
Durch das Visier beobachtet er, wie zwei Männer in Rockerkutte den Transporter verlassen. Einer bleibt beim Wagen, der andere nähert sich den Limousinen, deren Türen sich ebenfalls öffnen. Er kennt die beiden Biker. Sie gehören zum MC seines Vaters. Wenn sein Dad im Garten Steaks für seine Freunde grillt, sind sie immer dabei. Nette Männer, die seit ihrer Kindheit dick befreundet sind und immer im Doppelpack herumlaufen. Jared hat sich mit ihnen mal angeregt über Kampfsport unterhalten. Er trainiert seit seiner Kindheit Ninjutsu und der eine Mann – Boom ist sein Name – betreibt Karate. Sein Vater hält nichts von asiatischer Kampfkunst; er bevorzugt ehrliches, männliches Boxen. Um jemandem die Fresse zu polieren, sagt er gern, müsse man nicht Körper und Geist in Einklang bringen.
Aus den Limousinen steigen jetzt vier Männer aus. Zwei suchen die Gegend mit den Augen ab, die Hände unter die Jacken geschoben. Boom hebt in einer beschwichtigenden Geste die Arme. Die beiden anderen Männer marschieren mit gezogenen Pistolen zum Lieferwagen, ziehen die Seitentür auf und checken den Innenraum. Sie stecken ihre Waffen weg, einer schaut über die Schulter und nickt.
Die Fondtür der hinteren Limousine öffnet sich. Der Mann, der gemächlich aussteigt, ist recht klein und trägt das lange graue Haar zu einem dünnen Pferdeschwanz gebunden. Er knöpft seine Anzugjacke zu, richtet seinen Krawattenknoten und schlendert zu dem Transporter. Seine Leibwächter machen ihm Platz. Zwar gilt es als Vertrauensbeweis, sich mit einem zukünftigen Geschäftspartner persönlich zu treffen, trotzdem ist Pferdeschwanz auf der Hut. Jared vermutet, dass es zu seiner Standardprozedur gehört, nie exakt am vereinbarten Treffpunkt zu halten. Ein paar hundert Meter können den Unterschied zwischen Tod und Leben ausmachen.
Er weiß nicht, warum Pferdeschwanz sterben soll. Sein Vater hat ihn bis heute aus allen Clubangelegenheiten rausgehalten, denn Jared ist bloß ein minderjähriger Hangaround. Um als Prospect aufgenommen zu werden, muss er sich bewähren. So verlangen es die Regeln der Dirty Demons. Jared ist sich nicht mehr sicher, ob ihm eine Anwartschaft bei einem der gefürchtetsten Motorradclubs des Landes gefallen würde. Er ist möglicherweise nicht annähernd so hartgesotten, wie Sick Man es erhofft. »Enttäusch mich nicht«, hat der große Mann mehr als einmal zu ihm gesagt. »Ich weiß, du hast es in dir. Du musst es nur noch finden.«
Was dieses Es sein soll, hat Jared bisher nicht herausfinden können. Aber es wäre furchtbar, zu versagen. Wenn er erst Member bei den Dirty Demons ist, dann hat er es geschafft. Dann hat er einen festen Platz im Leben, den ihm niemand je streitig machen kann. Dann hat er Brüder, die fest zu ihm halten, komme, was wolle.
Er rupft ein paar Grashalme aus und wirft sie hoch. Der Wind hat leicht zugenommen. Die Luft ist merklich kühler geworden.
Sein Vater hat ihm von Anfang an beigebracht, Entfernungen mit bloßem Auge zu ermitteln, falls seine Zieleinrichtung versagen sollte. Er hat verinnerlicht, dass auf sechshundert Metern eine Person zu einem Schemen wird und eine Nasenspitze nur bis hundert Metern erkennbar ist. Eine Senke im Gelände, so wie hier, kann dazu führen, dass man die Distanz zu kurz einschätzt.
Er stellt im Kopf Berechnungen an, verwirft sie wieder und beginnt von Neuem. Viel Zeit bleibt ihm nicht. Der Seitenwind bereitet ihm Sorgen. Seine Hände sind schwitzig, er zerreibt etwas Erde zwischen den Fingern.
Zwei Taschen werden aus dem Van geladen, geöffnet und überprüft. Jared vermutet, dass sich Drogen darin befinden; die Dirty Demons engagieren sich seit einigen Jahren stark im Kokainhandel. Er visiert Pferdeschwanz an, achtet darauf, mit dem Auge nicht zu nah ans Okular zu kommen. Den Fehler hat er einmal begangen und er hat ihm eine hübsche Narbe eingebracht, als der Rückstoß beim Abfeuern das Zielfernrohr gegen seine Braue schlug.
Sichelschatten wachsen am Rand seines Sichtfeldes, er korrigiert den Abstand zum Visier um wenige Millimeter. Die Kuppe seines Zeigefingers legt sich an den Abzug. Stille senkt sich über ihn, nun hört er nur noch seinen eigenen Herzschlag.
Pferdeschwanz gibt einem seiner Männer ein Signal, während er mit den Rockern redet. Die Leibwächter scannen die Umgebung und bleiben keine Sekunde ruhig stehen. Immer wieder schiebt sich einer vor Jareds Ziel. Ein Mann schleppt einen grauen Hartschalenkoffer heran und öffnet ihn. Durch das Fernrohr kann Jared Booms freudiges Grinsen erkennen. Pferdeschwanz tritt einen Schritt zurück.
Freies Schussfeld.
Jared leert seine Lunge und krümmt den Finger um Winzigkeiten, bis er spürt, dass er den Abzugspunkt fast erreicht hat. In dieser letzten Millisekunde muss er die absolute Kontrolle behalten. Sein Herz schlägt ruhig. Er kann bereits die Flugbahn des Geschosses vor seinem inneren Auge sehen. Sanft zieht er den butterweich eingestellten Hahn durch, spürt augenblicklich den harten Rückschlag bis in die letzte Faser seiner entspannten Muskeln, noch bevor der gedämpfte Knall ertönt. Durch das Visier beobachtet er, wie Pferdeschwanz zusammenzuckt. Seine Arme fliegen hoch, dann kippt er hintenüber.
Die Lautlosigkeit der Todesszene ist gespenstisch. Sekundenlang ist Jared unfähig, sich zu rühren.
Die Bodyguards geraten in hektische Bewegung. Es ist, als beobachte man aufgeregte Ameisen, in deren Nest man mit einem Stock herumfuhrwerkt. Die Rocker grabschen nach dem Koffer und wollen zu ihrem Van stürmen. Schüsse ertönen. Erst bricht Boom zusammen, dann sein Freund. Der Koffer fällt zu Boden und der Deckel springt auf, Geldscheine flattern umher.
Hau ab!, flüstert ihm sein entsetzter Verstand zu.
————————————-
Dies war ein Ausschnitt aus dem ersten Kapitel von “Demon Inside”. Du willst wissen, wie es weitergeht? Klick hier.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen