„Die Armee der Tausend Söhne“ ist ja irgendwie mein Sorgenkind.
Sorgenkinder hat man ganz besonders lieb, weil man sich ein bisschen intensiver mit ihnen beschäftigt und dabei immer was lernt. Sorgenkinder machen einem das Leben nicht leicht. Manchmal bringen sie komische Freunde mit nach Hause, die die Hosen falschrum tragen und verdächtig glasig dreinschauen, oder Briefe vom Lehrer, in denen was von „Verschwörungstheorien sind nicht Bestandteil des Matheunterrichts!“ steht oder „ist erneut ohne Schuhe zum Unterricht erschienen“. Später pieksen sich die Sorgenkinder metallene Gegenstände durch die Wange, lassen sich ein Geschlechtsteil auf den Handrücken tätowieren und verlieren ihre Ausbildungsstelle bei der Sparkasse.
Soweit hat’s mein Sorgenkind nicht getrieben, den Göttern meiner Wahl sei Dank. Mein Sorgenkind wird einfach nur von der Welt missverstanden.
Hüstel, ich weiß. Das sagen alle Eltern: „Der Kevin ist nicht böse, nur weil er die kleine Lina erst mit dem Bagger gehauen und anschließend an vorbeiziehende Gypsies verscherbelt hat, um sich Counterstrike kaufen zu können. Der Kevin macht nur gerade eine schwere Phase durch.“
Die „Tausend Söhne“ machen gerade keine schwere Phase durch. Die „Tausend Söhne“ haben eigentlich auch nichts falsch gemacht. Sie sind nun mal, was sie sind (ja, okay, auch das sagen viele Eltern).
Das Buch hat ein düsteres Cover mit einer Illustration, die man nicht im IKEA-Kinderparadies aufhängen würde. Es sind keine Herzen darauf zu sehen, keine knackigen Oberkörper, keine weichgezeichneten Schmuseszenen. Und es enthält auch auffällig wenig Pink und Rot und sanftes Pastell.
„Die Armee der Tausend Söhne“ ist im Genre Fantasy in der Kategorie „Horror/Dunkle Fantasy“ gelistet, und zwar recht weit oben (aktuell auf Platz 6, glaube ich).
Im Klappentext steht – wenn ich nicht vollkommen dement bin – nichts von Romantik, Erotik oder sonstiger Lyrik, die eine herzwärmende, knisternde Unterhaltung verspricht.
Es ist ein düsteres, böses, hartes Dark Urban Fantasy-Abenteuer. Es gibt keine liebenswerten Höllenreiter und keine heißen Kuschelszenen, aber eine Menge Blut, Glibber und Tränen. Und eine Protagonistin, der sehr übel mitgespielt wird.
Es gibt übrigens auch eine Leseprobe zu dem Buch, die deutlich macht, wohin die Reise dieses Romans geht. Bereits im Prolog stolpert man über den ersten Toten und er sieht wirklich sehr, sehr tot aus.
Ich war der Meinung, all das sollte ausreichen, um Lesern, die keine fiese Fantasy mögen, zu verdeutlichen, dass dieses Buch fiese Fantasy enthält.
Noch einmal:
– düsteres Cover mit Dämonenfratzenschädel
-Kategorie Dunkle Fantasy/Horror/Sci-Fi und Fantasy
-Klappentext
-Leseprobe.
Dennoch trudeln ungehaltene Zuschriften und Rezensionen ein, in denen (mehr oder weniger nett) angemerkt wird, dass das Buch ja keine liebenswerten Höllenreiter enthält, stattdessen aber fiese, gemeine, harte Fantasy. Dass es brutal bis gruselig ist. Dass es nirgendwo Erotik gibt, nicht mal ein winziges Bisschen (von ein, zwei Knutschern vielleicht mal abgesehen) und somit totaaal langweilig ist. Dass das Buch keine gute Laune macht, weil es so fies ist. Dass man das Buch deswegen am liebsten in die Ecke pfeffern und drauf rumtrampeln würde, wenn es nicht dummerweise ein eBook wäre (BTW: die Zeiten, in denen man seine Enttäuschung über einen Roman an dem Roman selbst auslassen konnte, gehen damit wohl dem Ende zu. Ich liebe ja eBooks, aber das ist tatsächlich ein nachdenkenswerter Nachteil).
Ich nehme meine „Tausend Söhne“ tröstend in den Arm, streichle sie ein bisschen und flüstere: „Gräme dich nicht, mein Kind. Da hat dich wohl jemand missverstanden. Ich werde dich trotzdem immer liebhaben.“ Die „Tausend Söhne“ schniefen ein wenig, lächeln und beschließen insgeheim, sich eine Sicherheitsnadel durch die Braue zu pieksen und ab sofort nur noch Frauenkleider ohne was drunter zu tragen, um es der Welt mal so richtig zu zeigen.
Ich seufze, schicke die „Tausend Söhne“ zum Spielen nach draußen (und bete, dass ein paar Stunden später nicht die Polizei vor der Tür steht, meinen lädierten Sprößling im Schlepp, und mir erzählt, dass er im Tattoostudio randaliert hat, weil man ihm dort kein Geschlechtsteil tätowieren wollte).
Dann verfasse ich einen Artikel mit folgendem Inhalt:
„Die Armee der Tausend Söhne“ enthält Fantasy – sehr düstere, sehr fiese, sehr unkuschelige Fantasy. Darum ist das Buch nicht in der Kategorie „Erotic-Fantasy“ oder „Liebesromane“ und auch nicht unter „moderne Frauen“ zu finden (obwohl Jo schon eine ziemlich toughe Heldin ist).
Bitte guckt auf die Kategorie, auf das Cover, auf den Klappentext und lest anschließend die Leseprobe! Schaut in die Kundenmeinungen zu dem Buch! Wenn ihr keine Dark Urban Fantasy mögt, lasst die Finger von diesem Buch. Dann müsst ihr mir auch keine ungehaltenen Botschaften schicken und euch ärgern, das Geld nicht sinnvoller angelegt zu haben.
Ich habe mir alle Mühe gegeben, keine falschen Erwartungen mit den „Tausend Söhnen“ zu wecken. Sie haben thematisch rein gar nichts mit meinen anderen Büchern zu tun und darum sind sie von Herrn Amazon auch ganz, ganz, gaaaanz woanders einsortiert worden.
Meine Frage an euch:
Mit welcher Erwartung habt ihr euch diesen Roman zugelegt? Warum hattet ihr diese Erwartung? Was kann ich verbessern, damit ihr künftig keinen Fehlkauf tätigt? Oder sollte ich zukünftig lieber komplett auf Ausflüge in fremde Genres verzichten? (Letzteres will ich übrigens keinesfalls, weil es verdammt viel Spaß macht, also vergesst die letzte Frage wieder).
Ein paar Freunde haben gesagt: „Ist doch nicht deine Sache, Catalina, wenn sich jemand beim Bücherkauf vergreift“, aber ich persönlich hätte gerne glückliche und zufriedene Leser, die mir nette Briefe schicken. Und dass aus meinem Sorgenkind doch noch was Anständiges wird.