Lächeln, nicken, Fäuste schwingen – Die Frankfurter Buchmesse 2017

Die Frankfurter Buchmesse hätten Shakey und ich also erfolgreich überlebt.
Es ist eine sehr wichtige Messe, die in den ersten drei Tagen traditionsgemäß von furchtbar wichtigen Anzugträgern und Damen im Businesskostüm dominiert wird. Wichtige Reden werden gehalten (Festredner: „Glücklicherweise muss ich keine Gemeinschaft beschwören, die es zwischen uns nicht gibt.“) und noch wichtigere Preise werden verliehen. Margaret Atwood bekam den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. „Wer ist die Frau?“, fragte eine Freundin an meinem Stand.
Ich outete mich als Groupie, da ich nach „Der Report der Magd“ alle Bücher von Frau Atwood verschlungen habe, und schob vorsichtshalber hinterher, dass sie nicht so ganz im Bad Boy Romance-Genre veröffentlicht. Die Laudatorin Eva Menasse bezeichnete Frau Atwood in ihrer Rede als „boshaft kichernde weise Frau“ und Frau Atwood nickte lächelnd zu jedem Satz.
„Beeindruckende Preise werden immer an Autoren verliehen, die stinklangweilige Bücher schreiben, welche man nur kauft, um sie auf dem Wohnzimmertisch zu drapieren“, sagte meine Freundin unbeeindruckt.

Meinem winzigkleinen Stand gegenüber befand sich das Universum von Random House, wo Kellnerinnen mit Silbertabletts voller Häppchen und Sektgläser umherhuschten. Heyne, Blanvalet, Blessing, Goldmann, C. Bertelsmann und andere wichtige Namen sind unter Random Houses Dach vereint. Wenn Random House die Sonne ist, um die all diese Namen kreisen, dann bin ich der kleine klapprige Sputnik, der irgendwo unbemerkt seine Bahnen zieht. „Seien Sie froh“, sagte der graubärtige Mann vom Börsenverein. „Wenn Sie einen Spiegel-Bestseller landen, werden Sie von denen schneller aufgekauft, als Sie Hups! sagen können.“
Da habe ich ja Glück gehabt, haha.
Wann immer ich zu Ramdom House hinüber schaute, begegnete ich dem missbilligenden Blick von Kazuo Ishiguro, der mich von einer überdimensionalen Werbewand fixierte. Man sah ihm förmlich an, wie er dachte: „Wieso muss ich auf diese Indie-Autorin gucken? Wer ist die überhaupt?“
Herr Ishiguro hat den Literaturnobelpreis gewonnen und ich habe zuvor nie von ihm gehört. Vielleicht sollte ich eines seiner Bücher kaufen und auf den Wohnzimmertisch legen, damit ich mich weniger dumm fühle. Blöderweise stecke ich derzeit in einer ausgedehnten Bad Boy-Romance-Phase.
Aber auch mit Kochbüchern kann man Ruhm erlangen, wie wir auf der Open Stage erleben durften. „Ich bin der Mario Barth der Fernsehköche“, sagte Steffen Henssler und es wurde wild gejubelt. Thomas Anders, die Ex-zweite Hälfte von Modern Talking, hat übrigens auch ein Kochbuch veröffentlicht, ebenso wie Roberto Blanco. Allerdings muss man sich bei Letzterem erst durch zig Seiten Lebensgeschichte wühlen, bis man zu den Rezepten kommt. Ein bisschen Spaß muss halt sein.
Das Lachen verging Herrn Blanco allerdings, als er auf der Messe während der Vorstellung seiner (jetzt aber richtigen) Autobiografie von seiner Tochter Patricia attackiert wurde. Zuuufällig hatte die Dame einen Kameramann im Schlepp und konnte sich ordentlich medienwirksam von Securitys abführen lassen.

Das Eklätchen war natürlich nichts gegen die handgreiflichen Tumulte rund um Björn Höckes Auftritt und dem Gerummse am Stand des Antaios-Verlages. Beim Sieferle-Podium, das dem Fachpublikum vorbehalten war, ging es noch sehr gesittet zu, doch am Samstag prallten Links und Rechts aufeinander und plünderten im Vorfeld noch einen Stand.
Jan Böhmermann twitterte später spöttisch: „Gastland der Buchmesse in diesem Jahr? Dunkeldeutschland!“ und fragte: „Was suchen Fans von Leuten, die Bücher verbrannt haben, eigentlich auf einer Buchmesse?“
Jutta Ditfurth kritisierte, dass die Leitung der Buchmesse mit der Ausrede „Meinungsfreiheit“ die Enthemmung und Ausbreitung von Nazis zugelassen habe. Der Veranstalter verteidigte sich, er könne Ausstellern, deren Werke nicht gegen das Strafrecht verstoßen, schlecht die Ausstellungsfläche verweigern. Ebensowenig könne er am Eingang Männer mit Seitenscheitel und Schnürstiefeln abweisen.
Natürlich bekam das Fest der Bücher durch die Ereignisse einen sehr schalen Beigeschmack. Kann Meinungsfreiheit solche Eklats ab oder sollte der Veranstalter zukünftig nach politischer Gesinnung selektieren, um Übergriffe zu vermeiden? Vielleicht war auch einfach nur das Sicherheitskonzept scheiße.
Mein Männe fand das Sicherheitskonzept gut; er wurde jeden Tag gründlichst gefilzt, bevor er in die Hallen durfte. Das könnte daran liegen, dass er aussieht wie ein tätowierter, langhaariger Bombenleger und die scharfen Kanten seines Ausstellerausweises dazu nutzen könnte, Herrn Macron oder Frau Künast zu attackieren.

Die arme Frau Künast hat weitestgehend unbeachtet ihr Interview am Random House-Stand gegeben. Im Hintergrund lungerte eine aufgeregte Mama mit ihren beiden Kindern herum, die auch mal ins Fernsehen kommen wollte. Draußen standen silberne und schwarze Bonzenkarren aufgereiht, bewacht von Anzug-von-der-Stange-Trägern, die an ihren Zigaretten zogen und drinnen machte man Literatur. Oder was man in den ersten drei Tagen auf der Buchmesse halt so macht, bevor man das Fußvolk – uns Leser – in die heiligen Hallen lässt.
Wer wichtig ist, trägt eine schwarzlederne Mappe unterm Arm, durchaus auch einen wehenden Schal um den Hals und nascht Häppchen. Nach Feierabend besucht man eine der unzähligen Partys, wo die Krawatten skandalös locker sitzen und man sich singend in den Armen liegt.
Wir hatten im Vorfeld viele Einladungen bekommen, aber für mich am interessantesten war die Digital Night, weil ich dort mit dem Chef und IT-Tüftler einer kleinen Dienstleistungsfirma etwas Konspiratives aushecken konnte.

Ich mag die Buchmesse. Sie ist bunt und illuster und voller spannender Menschen. Die unbekannten Autoren feiern sich selbst, weil es sonst niemand tut, die ganz Großen kommen, lächeln und gehen wieder. Ständig stehen irgendwo Leute an, und wenn man sich dazustellt, bekommt man ein Autogramm von Ken Follett auf das frisch gekaufte Thomas Anders-Kochbuch.
Ich hätte allerdings wirklich gern ein Autogramm von Till Lindemann (Rammstein-Frontmann) abgestaubt, der zusammen mit Joey Kelly einen interessanten Bildband namens „Yukon – mein gehasster Freund“ veröffentlicht hat (und dessen Ex zufällig Lektorin ist). Den Auftritt von Kelly und Lindemann habe ich leider verpasst, weil ich ja zum Arbeiten auf der Messe war und nicht zum Herumstromern. Das verdammt teure Buch habe ich trotzdem gekauft.
Aber Ken Follett habe ich in voll echt gesehen, sowie Kai Meyer, Poppy J. Anderson, Sebastian Fitzek und dann waren auch noch Reinhold Messner da, Daniel Kehlmann uuund Sven Regener. Hachz. Und Tad Williams!!! (Hier bitte enthemmtes Kreischen einfügen). Und noch viele andere, die aber schnell wieder abreisten, so wie Martin Walser oder Jan Brandt, dem niemand ein Hotelbett spendieren mochte. Der Buchbranche geht es nämlich schlecht, wird mal wieder gemunkelt. Selbst der Taschen Verlag hat sich dieses Jahr gar nicht erst blicken lassen. Und Ebooks laufen ja ü-ber-haupt nicht!
Für eine Buchmesse gab es auffallend viele Non-Book-Produkte zu bestaunen, von Eierbechern und Handtaschen über eine Flotte Audis bis hin zum Computerspiel.
Die FAZ-Redakteurin Lena Bopp schrieb: „[…] und während einige renommierte Buchhandlungen schon konkret darüber nachdenken, Kaffee und Geschenke ins Sortiment aufzunehmen, um die Ladenmieten zahlen zu können, schlug auch auf der Buchmesse die große Stunde des Nichtbuchs, und das Ergebnis war eine betretene Stille.“
Also, von Stille habe ich herzlich wenig mitbekommen. Ich hatte meinen Spaß.

Shakey

An meinem Stand gab es keine Eierbecher und auch keine teuren deutschen Autos, nur Bücher, Goodies, Leckerchen und viele großartige Gespräche. Mit Protesten konnte ich auch nicht dienen. Meine Bullhead-Rocker sind nicht kontrovers genug und an Shakey, der alles im Blick behielt, war auch nichts Anstößiges. Ich habe mich trotzdem wie Bolle gefreut, dass man auch bei mir Schlange stand. Ich durfte Bücher, Postkarten, Lesezeichen signieren, habe professionell in Kameras gelächelt (oder es versucht; ich bin scheiße unfotogen) und viele großartige Gespräche und Begegnungen erlebt. Und ich habe viele tolle Mitbringsel und Geschenke von euch bekommen, unter anderem einen selbstgemachten Schoki-Orden, dazu Bücher (weil ich öffentlich geschworen hatte, dieses Jahr aber ganz wirklich kein Buch auf der FBM zu kaufen) und den besten Kaffee der Welt. Sogar an Herrn Hund wurde gedacht.
Tausend Dank, ihr Lieben!
Mein persönliches Higlight waren also all die großartigen Leser und Fans, die Neugierigen und KollegInnen. Ihr habt alle meine „Lucky Bastard“ weggekauft 🙂 Und natürlich waren auch die engagierten Damen vom cuddifiziert!-Clubhaus zu Besuch sowie meine wunderbaren Testleser! Allein wegen euch habe ich meinen Stand aufgebaut.
Auch der Herr Börsenverein des deutschen Buchhandels (wiederum der Veranstalter der FBM) hat mich gezielt aufgesucht und ausgiebig mit mir über Dieses und Jenes geplaudert. Vor allem über Jenes. Darum darf ich mich nun auch auf die Vorweihnachtszeit freuen, ich kleine Indie-Autorin.
Vor allem sehr viele Blogger kamen zu Besuch an meinem Stand – freiwillig und freudig, und das war wirklich großartig. Netzwerken ist nämlich geil!
Ich lernte die supersympathischen Damen vom Plaisir d’Amour Verlag kennen sowie das engagierte Team von CounterFights, außerdem habe ich fast Bruderschaft mit dem tätowierten Gabelstaplerfahrer und dem kroatischen Shuttlebus-Lenker getrunken (nur fast wegen „kein Alkohol im Dienst“ und „Sorry, aber ich stehe nicht auf rosafarbenen Prosecco“). Sehr kompetente Jungs, an denen sich der eine oder andere wichtige Anzugträger mal ein Beispiel nehmen sollte. Die wussten nämlich, wann man wo was finden würde.
(Notiz an mich: Das nächste Mal einen Kasten Männer-Bier für die kompetenten Jungs einpacken).
Das kryptische System der Buchmessen-Standbeschilderung war allerdings uns allen ein unlösbares Rätsel. Am chaotischen Aufbautag irrte ich mit meinem Kastenturm-Rollwagen durch die Halle (die zu dem Zeitpunkt noch absolut null Buchmessen-Glamour hatte; überall Holzpaletten, Akkuschrauber-Geheule und blanker Betonboden) und fragte jeden, der nicht schnell genug wegrannte: „Tschuldigung, ist das hier Gang E?“
„Sehen Sie die Pissoirs dort an der Wand? Sie sind in der Herrentoilette! Ich kann nicht pinkeln, wenn jemand zuguckt.“
Apropos Toiletten: Die waren vor allem während der Publikumstage so begehrt wie das einzige saubere Dixi auf Wacken. Es sei denn, man ging zur Halle 6.2 (International Publishers); dort herrscht angenehme Leere.
Frankfurt selbst lernte ich auch ausgiebigst kennen, weil ich einmal auf dem Weg zum Hotel eine Straße zu früh abgebogen bin. Eben waren da noch die schicken gläsernen Banken-Türme, im nächsten Moment tuckerten wir durch ein schmales, zugeparktes Einbahnstraßenlabyrinth mit Handy-Shops, Mini-Markets und „All you can fukk“-Etablissements.
Unser Hotel lag ein wenig außerhalb und hat sich als echter Geheimtipp entpuppt. Große, gemütliche Zimmer; grandioses Restaurant; weltbeste Bar; familiäre Atmosphäre mit schicker Innendeko; Hammer-Ausblick auf die Skyline und Goethe war auch schon mal da. Ist allerdings ein Weilchen her. Den Namen behalte ich für mich, sonst bekomme ich zur nächsten Messe kein Zimmer mehr. Sorry, da bin ich Egoist.
Letztes Jahr residierte ich übrigens in einem süßen kleinen Renaissance-Hotel mitten im weniger schnuckligen Bahnhofsviertel. Dort lernte ich einen Ex-wichtigen-Superduper-Manager kennen, der wegen Wirtschaftsspionage aus China ausgewiesen wurde, stantepede in die Frankfurter Drogenszene abrutschte und nun mit den hiesigen Hells Angels verschwippschwägert ist. Jetzt sind wir Freunde.

Die Organisation der FBM war vornehm ausgedrückt für’n Arsch. Jede Vororts-Tattoo-Messe ist besser organisiert. Da kann der liebe Vadim Soundso von der Veranstaltungsleitung mir tausendmal mit geduldigem Lächeln sagen: „Ja, bei über 7000 Ausstellern und diversen Eklats ist das nun mal …“ Nein, ist es nicht! Ihr macht diese dämliche Mega-Messe nicht erst seit gestern. Ihr wisst seit Jahren, was da auf euch zurollt.
In meiner grenzenlosen Naivität war ich ja der Meinung, dass Lastenaufzüge dazu da sind, Lasten rauf- und runterzutransportieren. Dazu müssten die verf…ten Dinger natürlich in Betrieb sein. In den Personenaufzug passen die Rollwagen nämlich nicht hinein, lieber Vadim. Am Stand selbst fehlten so ziemlich alle Regale, die dort sein sollten. Der Hallenmeister fehlte auch. Die Palette, auf der die vermissten Regale sein sollten, war immerhin da. Allerdings ohne Regale.
Von meinem lautstarken Vortrag über „Warum kann ich meinen Scheiß Transporter nicht vor der Messehalle abladen, wie es sich gehört, sondern muss ihn im oberf…tken PARKHAUS lerrräumen und den ganzen Kladderadatsch durch die mehrstöckige Messe-Pampa wuchten?“ klingeln Vadim vermutlich noch immer die Ohren. Ich glaube, er nuschelte etwas von „Ja, wenn Sie zufällig Frau Random House wären, könnte ich …. Seien Sie froh, dass wir Sie überhaupt reingelassen haben, Frau WieheißenSienoch?“
Vadim hat mich auf Facebook entfreundet.

Fürs nächste Jahr planen wir jetzt auch einen medienwirksamen Eklat. Dazu benötigt man im Vorfeld lediglich ein skandalöses Buch; eine Art verbalen Brandbeschleuniger mit einem Titel, der wirklich jeden auf die Palme bringt. Vielleicht: „Kim Jong Un und ich – Eine Bad Boy-Romance“ von Donald Trump. Oder „Wer Bücher liest, ist zu blöd für Sex“. Das nenne ich mal provokant!
Der Rest ist Marketing, garniert mit breitschultrigen Männern mit Knopf im Ohr, die dem Ganzen eine gewisse bedrohliche Souveränität verleihen.

Ken Follett

Die Frankfurter Buchmesse war also bunt, kontrovers, kistenschleppig, spannend und die Teppiche – auch die roten – waren keine drei Millimeter dick. Etwa zwanzig Minuten nach Torschluss der FBM rissen kernige osteuropäische Arbeiterinnen den schicken Bodenbelag wieder raus, während wir noch unsere Stände abbauten. Zack – Glamour weg.
Männe und ich haben anschließend ein wenig über die Höhe des Müllbergs sinniert, den so eine Buchmesse hinterlässt. Halde Hoheward in Recklinghausen oder doch eher Mount Everest?

Der Rest war maßgeschneiderte Wichtigtuerei und empörtes Herumschreien. Und Bücher natürlich. Hier und da gab es noch etwas Bigotterie obendrauf. Der richtige Spaß fand bei uns kleinen Guerillas statt, wenn man mich fragt.
Man kann sich feiern, wie man will: Unterm Strich zählt allein der Leser, der das Buch entweder begeistert liest oder den Schmöker nach wenigen Seiten in die runde Ablage wirft und ein Kochbuch kauft.

Hier noch ein paar wichtige Sätze, die auf der FBM fielen:
– „Gibt es Suhrkamp-WLAN?“
– „Ich lese grundsätzlich keine Bücher unter 500 Seiten.“
– „Bei denen am Stand bekommt man nur Häppchen mit Lachsersatz.“
– „Der da drüben, der ist doch auch ein Berühmter.“
– „Da wünscht man sich glatt die Zensur zurück.“
– „Ich wollte auf keinen Fall barockes Deutsch emulieren.“ (Daniel Kehlmann)
– „Ich wusste, dass die Dings … wie heißt sie noch? … dass sie den Preis bekommt.“
– „In die Augen schauen, sonst gibt’s sieben Jahre schlechten Sex. Stößchen!“
– „Sind Sie Self-Publisher oder gehören Sie zu den richtigen Autoren?“

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