Self Publisher – Die Schmuddelkinder der schreibenden Zunft

Dissident-Writer
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Hallo, ich heiße Catalina und ich bin Self Publisherin …
(Hier betretenes Schweigen einfügen)
Heutzutage sollte man solche Geständnisse tunlichst für sich behalten (beziehungsweise mit dem Hashtag #ichbinmeineGeschichte versehen) oder aber höchstens nach dem schuldbefreienden Genuss von wenigstens einem Dutzend Caipirinhas und anderer hemmschwellensenkender Getränke im vertrauten Kreise deiner aller-allerbesten Freunde ausplaudern.
(Mach dir keine Hoffnung: Die weltbeste Freundin wird es zwei Minuten später kichernd bei Facebook posten, begleitet von einem Handyfoto, über das man lieber den Mantel des Schweigens breiten möchte. Ihr wisst schon, diese Art von Foto, auf dem man so aussieht, als sei man mit ungewaschenen Haaren aus der geschlossenen Abteilung ausgebrochen und in den nächsten Schnapsladen gestolpert, ohne je wieder den Ausgang zu finden. Über dem Foto steht: Hihi, die talentfreie Nulpe hält sich für ne Autorin!)
Self-Publisher*innen (Das Gendersternchen verwende ich in diesem Artikel nur dieses eine Mal. Die restlichen Sternchen müsst ihr euch also denken) … Also Self-Publisher, das sind die, die zwar keinen Verlagsvertrag, aber fatalerweise Zugang zum Internet haben. Die alle zwei Wochen Romane mit Titeln wie „In der Besamungsklinik hart rangenommen“ oder „Peng macht der Hamster und andere lustige Mikrowellenspiele“ auf den Markt werfen. Die entweder bei alten Heftchenromanen abschreiben oder wochenlang darüber diskutieren, warum sie Erotikromane unwürdig finden, Einhörner aber nicht und warum sie auf externe Dienstleistungen wie Korrektorat, Lektorat, Coverdesign und anderen lustigen Schnickschnack verzichten.Mir persönlich ist es schnuppe, ob andere Autoren zu rebellisch, geizig oder genial sind für Lektorat, Impressum, korrekte Interpunktion oder dem Ausfüllen der Steuererklärung. Jeder soll nach seinem Gusto schreiben, veröffentlichen oder prokrastinieren, ohne sich ständig für die Wahl seiner Mittel rechtfertigen zu müssen. Das Urteil fällt am Ende sowieso der Markt (manchmal auch das Finanzamt).
Der Markt, das bist übrigens du, lieber Leser.
Ich habe keine Lust, mich in einen der zahllosen Echauffierungs-Threads einzureihen, weil eine mir unbekannte Autorin vergessene Textdateien auf ihrem 15 Jahre alten USB-Stick findet – na hupsi! – und sie einer spontanen Laune folgend auf den Buchmarkt wirft. Darüber, dass eine andere Autorin Manga-Comics das Urheberrecht aberkennt oder darüber, dass seitdem gefühlt jeden Tag auf den digitalen Schafotten, eh, Plattformen weitere Klautoren angeprangert und vom lesenden oder schreibenden Wutbürger begeistert mit faulen Tomaten beworfen werden.
Unter der Flut von selbstgerechten Shitstorms wird der sowieso schon anrüchige Begriff Self Publisher mit peinlichen braunen Sprenkeln versehen. „Ach Gottchen, Self Publisher: diese Abschreiber, Rechtschreib-Anarchisten und Ich-rotz-mal-eben-nen-Bestseller-runter-Dilettanten! Nur weil Tante Trude einem damals fünf Mark für den Einser-Aufsatz gegeben hat, ist man noch lange nicht der neue Jonathan Franzen von Coesfeld.“

Urheber: mindscanner/123rf
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Als Self Publisher sollte man dieser Tage besser gar nicht erst das Bett verlassen, sondern schön unter der Decke bleiben – ausgerüstet mit Taschenlampe, einer Dose Ravioli und einem leeren Notizbuch – und darauf warten, bis sich an der Oberfläche die Situation wieder beruhigt hat.
Streckt man leichtsinnigerweise den Kopf aus der Haustür raus, bekommt man nur braune Spritzer ab und wird beim Brötchenkauf von der Bäckereifachverkäuferin misstrauisch beäugt, ebenso wie der Zehn-Euro-Schein, den man ihr über die Theke reicht. Der könnte ja plagiiert sein. Beim Verlassen des Ladens hört man jemanden wispern: „Sie ist Self Publisherin. Schlimm, dass so was heutzutage noch frei rumlaufen darf.“
„Ich hab schon immer gewusst, dass mit der was nicht stimmt“, flüstert eine andere Stimme. „Sie hat irgendwie diesen verschlagenen Copy-Paste-Blick drauf!“
„Und dann noch diese ekligen Sprenkel auf der Wange. Pfui!“
In der Öffentlichkeit sollte man sich nur zeigen, um stolz zu verkünden, dass man jetzt einen VERLAGSVERTRAG habe.
Jawoll – man sei jetzt ein richtiger Autor und man könne das auch beweisen (an dieser Stelle unbedingt das Foto vom Vertrag posten und dabei auch nicht das Schwärzen des Klarnamens vergessen. Das sieht erstens verschwörerischer aus und hält einem zweitens die Hey-Kennst-du-mich-noch?-Hab-gelesen-du-wirst-jetzt-reich-Schulfreunde vom Hals, die gerade knapp bei Kasse sind).
Als VERLAGSAUTOR muss man nicht jeden Monat einen neuen Titel veröffentlichen, den man mühselig abgetippt hat. Man darf als VERLAGSAUTOR die ersten sechs Monate damit verbringen, seinen Vorschuss zu verprassen, während man sich über den ersten Satz bedeutungsschwangere Gedanken macht (vielleicht sind’s auch stark vernebelte Gedanken, wegen des teuren Cognacs, den man in seinen Kaffee kippt, aber hey! – ein bisschen Bohéme gehört dazu). Man schreibt Kapitel eins in die handgebundene Kladde mit dem Umschlag aus Delfinpenisleder, kaut ein bisschen am Goldfüller herum und ruft anschließend den Anwalt an, um in den Verlagsvertrag noch schnell ein Mitspracherecht bei der Verfilmung des neuen Romans einfügen zu lassen, weil man unbedingt Tom Hiddleston (hachz!) in der Hauptrolle haben möchte.
Währenddessen schrubbt der Self Publisher immer noch an den Sprenkeln im Gesicht herum und kommentiert auf Facebook die Ein-Sterne-Rezension, die ein enttäuschter Leser mit dem Benutzernamen Literaturpapst bei Amazon veröffentlicht hat: „Ich habe ja nix gegen freie Meinungsäußerung, aber muss sie unbedingt negativ sein? Heul!“ Danach beginnt er mit anderen, meist hämisch reagierenden Autoren eine hitzige Diskussion über Sinn und Unsinn von Zensur in Onlineshops, die viele jugendgefährdende Worte enthält und damit endet, dass er seinen Account löscht.
Danach setzt er sich hin, hämmert 280 Seiten runter, liest sie einmal quer und zwingt den Ehepartner/die Katze/den dreijährigen Sohnemann, es abzunicken. Vierundzwanzig Stunden später findet sich eine neue unentdeckte Perle des Buchmarktes in den Shops.
Und unentdeckt bleibt sie auch, bis jemand „Ha! Alles abgeschrieben!“ in die Welt ruft. Oder der Self Publisher den Preis auf neunundneunzig Cent senkt und unter seinem neu angelegten Account eine penetrante Werbewelle lostritt, die dafür sorgt, dass er aus zahllosen Freundeslisten gekickt wird. Er schreibt eine eMail nach Asien, kauft dort hundert Fake-Rezensionen ein und wird in die Top Ten katapultiert. Dort bleibt der Titel zwei Tage, bis jemandem auffällt, dass das Buch Schrott ist. Es fällt auf Rang 13.257. Der Self Publisher muss sofort ein neues Buch nachschieben oder sich ernsthaft mit der Option anfreunden, zur Abwechslung einer ehrlichen Arbeit nachzugehen. Pfandflaschensammeln oder so.
Ja, Self Publisher sind derzeit Pfui Bah.
Das waren sie vorher natürlich auch schon, aber mehr so im Geheimen, mit einem mitleidigen Lächeln von oben herab. Man musste nicht jeden Tag damit beginnen, sein auf Briefmarkengröße zusammengeschrumpftes Indie-Ego aufzubügeln, bevor man sich an die Tastatur setzte und so tat, als könne man schreiben.

Idiot
Urheber: Aaron Amat/123rf

Self Publisher – In der Welt von Goethes Erben sind das die, die wollen, aber nicht können. Die den Unterschied zwischen Lektorat und Korrektorat nie lernen werden und ihr Buch nur dann in der Buchhandlung finden, wenn sie es heimlich in den Laden schmuggeln. Man knipst hastig ein Selfie – Juhuuu: Ich und mein neuer Roman in der Mayerschen, auf dem Stapel der SPIEGEL-Bestseller! –, lädt es flott hoch und lässt sich anschließend samt Buch von der Security nach draußen befördern. Dort lamentiert man ein bisschen über die ignoranten Großkotze auf dem Buchmarkt und angelt nebenher eine Pfandflasche aus dem Mülleimer.

Es würden sich nicht so viele Menschen über Self Publisher aufregen, wenn sie sich nicht von ihnen bedroht fühlen würden.

Writer
Urheber: stokkete/123rf

Ich persönlich finde es cool, Self Publisherin zu sein.
In meinem früheren Leben war ich u.a. als Buchillustratorin und Coverdesignerin für bekannte Verlage und Verlagsautoren tätig. Und manchmal als seelischer Mülleimer für den einen oder anderen verzweifelten Autoren, wenn das mit dem Mitspracherecht beim Buchtitel mehr so als höfliche Phrase gemeint war („Hör mal, Autor, unsere Marketingabteilung hat sich für Der Milliardär mit der Bullwhip und das blonde Dummchen entschieden.“ – „Aber es ist ein Sachbuch über Zündkerzenwechsel an Aufsitzmähern!“ – „Unsere Marketingabteilung sagt, dass Milliardäre im Titel immer gehen. Ende der Diskussion!“).
Manchmal trifft man einen Verlagsautor, der ewig lang in der Bestsellerliste stand, beim Pfandflaschensammeln im Park wieder, weil die erste Tantiemenabrechnung auch neun Monate nach Veröffentlichung noch nicht geschickt wurde. Und wenn sie dann kommt, braucht man eine Enigma, um sie zu entschlüsseln. Und nur, weil man endlich die Abrechnung bekommen hat, heißt das noch lange nicht, dass auch das Geld überwiesen wurde. Abzüglich Vorschuss, versteht sich.
Andererseits: Der Verlag übernimmt den ganzen unliebsamen Krempel, der nichts mit dem Schreiben an sich zu tun hat: Lektorat, Korrektorat, Satz und Coverdesign. Werbung und Lieferung an den Buchhandel. Hin und wieder übernimmt er sogar das Schreiben oder sagt einem zumindest, was tunlichst im Manuskript zu stehen hat, entweder knallhart über den Lektor oder ganz subtil über „Wenn du einen Vertrag über drei weitere Bücher willst, dann schreib was über Milliardäre mit einer Vorliebe für lederne Züchtigungsinstrumente.“
An dieser Stelle sollte man erwähnen, dass man nicht automatisch einen fetten Vorschuss bekommt, nur weil man als Frischling beim Wir-machen-Bestseller-Verlag untergekommen ist. Den fetten Vorschuss behält man den berühmten Autoren vor, die über Verkäufe und Lizenzen das Geld in den Verlag spülen und die Frischlinge mitfinanzieren. Frischlingsbücher sind Rote-Zahlen-Bücher und da buttert man anfangs lieber nicht so viel rein. Manchmal gibt es auch keine Werbung. Darum soll sich der Frischling gefälligst selber kümmern; er will ja unbedingt ein berühmter Autor werden. Er darf auch mal am Verlagsstand auf der Buchmesse eingeschüchtert am Schampus nippen, während sich die begeisterten Massen um den seit Wochen groß angekündigten Thriller-Superstar drängeln. Nur, weil man jetzt (Verlags-)Autor ist, kann man noch lange nicht vom Schreiben leben. Etwa zehn Prozent aller publizierenden Schreiber verdienen roundabout 2000 Euronen im Monat (brutto, war ja klar), der Rest sammelt beispielsweise Pfandflaschen oder geht einer anderen sinnvollen Tätigkeit nach, um sich das Schreiben leisten zu können.
Nein, ich will bestimmt nicht über Verlage meckern. Es gibt viele tolle Verlage, groß oder klein, die sich hingebungsvoll um ihre Autoren kümmern und ihnen ermöglichen, ihre Bücher zu schreiben und sich dafür die Zeit zu nehmen, die sie brauchen. Sie zaubern großartige Cover, gestalten tolle Werbeflyer und sorgen dafür, dass der Autor das bestmögliche Buch veröffentlichen kann.
Aber einen solchen Verlag muss man erst mal finden.
Ich gestehe, ich hatte schlicht keine Lust, mich auf die zermürbende Tretmühlentour der Agenten- bzw Verlagssuche einzulassen.
Ich hatte auch nie vor, vom Schreiben leben zu können. Mir fehlt das Rampensau-Gen, um der Welt da draußen „Ich bin Schriftstellerin, verdammt! Ihr könnt mich bald in wahnsinnig wichtigen TV-Diskussionsrunden sehen!“ ins Gesicht zu brüllen. Und die Geduld, jahrelang auf Ablehnungsschreiben zu warten. Oder vom Verlagslektor eine Mail mit folgendem Inhalt zu bekommen: „Tolles Manuskript, ich bin begeistert! Allerdings sollten Sie das Ende umschreiben und das Buch um etwa die Hälfte kürzen, wegen der Endpreiskalkulation. Und der Anfang Ihres Romans kann so auch nicht bleiben, das verstehen Sie doch. Ach, und wenn Sie schon dabei sind: Warum ist die Hauptperson kein Milliardär mit Peitschenfetisch?“
Eigentlich will ich nur in Ruhe meine Geschichten schreiben, überarbeiten, angemessen verzweifeln, noch mehr überarbeiten und mich fragen, wie ich mir anmaßen konnte … Ich will mir den Kopf über Cover und Klappentext zerbrechen und über das Feedback eines Testlesers, der unbedingt einen züchtigungserfahrenen Milliardär als Helden haben will.
Irgendwann will ich mein frisch geborenes Baby zögerlich der Sonne entgegenhalten. Schauen, was geschieht.
Meine Werbetaktik verdient den Namen What? Welche Taktik? Hätte ich eine PR-Abteilung, würde sie ernsthaft über kollektiven Selbstmord nachdenken. Ich bin zu faul (oder zu blöd) für Twitter, öffentliche Lesungen, SEO, raffinierte Werbekampagnen und Preisaktionen. Und glücklich damit.
Die endlosen, manchmal triefend gemeinen Diskussionen über andere Autoren, ihre Bücher, Arbeitsweisen oder ihren unprofessionellen Umgang mit kritischen Lesern verursachen mir einen Klumpen im Magen. Außerdem sind sie Zeitverschwendung und Kreativitätskiller.
Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als während des Schreibens in meinen Geschichten zu ertrinken (und in der Kaffeekanne), mich laut mit meinen Charakteren streiten, darüber die Zeit zu vergessen und den Rest der Welt gleich mit. Ich muss keine Vorschüsse erwirtschaften, keine Deadline einhalten, mich nicht über den Lektor ärgern, der meinen anarchistischen Frischlingshumor im Manuskript mit säuerlichen Bemerkungen versieht, mir nicht die Haare raufen, weil ich voreilig einen Vertrag über drei Folgebände abgeschlossen habe (der erste Band endete dummerweise mit dem Dahinscheiden des sympathischen Helden, der bei der Gelegenheit auch gleich den Super-Bösewicht mit in den Tod riss. Shit aber auch.)
Das Self Publishing lässt mich meinen Kram machen, wie ich es für richtig halte und wie ich es am besten kann. Vielleicht lande ich mit meiner Taktik grandios auf der Fresse, aber bis dahin kann ich mich immerhin austoben.
Die braunen Sprenkel im Gesicht gehen übrigens auch als Sommersprossen durch.
Das Tolle am Self Publishing ist das Tu’s einfach! Es gibt keinen einheitlichen Weg. Self Publisher können Anarchisten sein, Marketing-Guerillas, Perfektionisten oder mutwillige Textverbrecher, Ausprobierer, Überraschungserfolge oder Scheiterer, spitzes Steinchen im Schuh der schwerfälligen Verlagsbranche, Nischenbesetzer oder einfach Menschen, die UNBEDINGT schreiben wollen.
Okay, manche schreiben ab, aus welchem Grund auch immer.
Deppen gibt es überall und in der Regel wird man für seine Vergehen früher oder später vom Karma gefi … äh, ihr wisst schon. Es ist nicht meine Aufgabe, über Plagiatoren zu richten (Spaß macht es ehrlich gesagt auch nicht so wirklich). Gerne wird allerdings vergessen, dass dieser Handvoll Deppen ein Heer aufrechter, kreativer Autoren gegenüber steht. Und dass sich in einer finsteren Ecke tatsächlich so illustre Gestalten wie Bertolt Brecht (Dreigroschenoper), Helene Hegemann (Axolotl Roadkill) und Dan Brown (Der Da Vinci Code) herumdrücken, die allesamt des Plagiates überführt wurden. Sie sind nicht die einzigen Verlagsklautoren, sorry. Aber während die Berühmtheiten mit hübsch konstruierten, fremdwortgespickten Schachtelsätzen im Feuilleton der Süddeutschen niedergemacht werden (die man nur abonniert hat, um den Nachbarn zu beeindrucken), wird der überführte Self Publisher ausgiebigst durch die sozialen Netzwerke getrieben und mit Matschobst beworfen, bis auch der letzte hartnäckige Leseverweigerer mitbekommen hat, dass dieses verkommene Subjekt fremde Texte geklaut hat. Self Publisher halt. Hat jemand was anderes erwartet?

Nachwörtle: Ich habe allen Ernstes einen Verlagsangebot abgelehnt, ehrlich jetzt 🙂 Weil: Ich wollte schon immer mal ein Ablehnungsschreiben an einen Verlag schicken. Eat this, hehe.

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