5 Dinge, die unbedingt in ein erfolgreiches Buch gehören – Teil zwo

Nein, ich drücke mich nicht vorm Überarbeiten des „Forever Nomad“. Ich brauche nur mal eine Pause. Zu viele Biker, ihr wisst schon …
Sagte ich schon, dass ich mit meiner Schreibklause aufs Land gezogen bin? Und ich meine Land, im Sinne von Verdammt viel Gegend drumherum. Morgens hüpfen Rehe durch meinen tiefgefrorenen Vorgarten, frische Brötchen sind nicht mehr frisch, wenn sie auf dem Frühstücksteller landen, sondern heißen dann Backwaren vom Vortag und wenn der nette Nachbar keinen Traktor besäße, wäre ich am … ehm, ihr wisst schon. Der schaufelt sogar Schnee mit dem Ding und schubst damit Kühe um (okay, letzteres ist Spekulation).
Zum Geburtstag wünsche ich mir auch einen Traktor. In schwarz. Mit Totenkopf vorne drauf, bitte. Das nur nebenbei.

Wenn ich gehofft hatte, im tiefsten westfälischen Death Valley vor Heimsuchungen gefeit zu sein, wurde ich schnell eines Besseren belehrt. Hat jemand ganzseitige Anzeigen mit meiner neuen Adresse geschaltet? Wahrscheinlich steht an der Bundesstraße eine beleuchtete Plakatwand mit Hier entlang zu Cuddy. Dort gibt’s heißen Kaffee!
Die Heimsuchungen (fiktive wie echte, dabei ist nicht mal Biker-Saison) fallen also weiterhin zuverlässig in meiner neuen Klause ein. Das Internet hingegen beschließt regelmäßig, nicht mehr zu existieren. Das ist so auf dem Lande, wurde mir gesagt. Jemand hat ein langes Kabel quer durch die Gegend gelegt, durch das das Internet tröpfelt, und wenn da ein Wildschwein drüber stolpert, könne das schon mal zu Totalausfällen führen, wurde mir gesagt. Überhaupt solle ich froh sein, dass ich an dieses neumodische Dings … wie heißt es noch? Ah, ja STROMNETZ! … angeschlossen sei, wurde mir gesagt. Stell dich nicht so an, du verwöhnte Großstadtpomeranze, wurde mir gesagt. Internet wird überbewertet. Wozu gibt es Brieftauben?

Jetzt aber genug der Abschweifungen. Weiter geht’s im Programm.
Numero zwei auf meiner Was-unbedingt-in-ein-erfolgreiches-Buch-gehört-Liste:
1. Die tödliche Bedrohung.
Reden wir mal über die meistverkauften Romane. Auf Platz eins mit über 200 Mio Exemplaren ist Dickens‘ Eine Geschichte aus zwei Städten. Darin enthalten: Ein Protagonist, der in den Revolutionswirren mehreren lebensbedrohlichen Gefahren ausgesetzt ist und später sogar zum Tode verurteilt wird. Tödlicher geht die Bedrohung kaum.
Auf Platz zwei mit ca. 150 Mio Verkäufen finden wir Tolkiens Herr der Ringe.
Ich sage nur: Sauron. Blutrünstige Orks. Knechtschaft, Völkermord und nie wieder zweites Frühstück im Auenland.
Platz drei mit immerhin etwa 100 Mio Verkäufen (auf die wir Autoren überhaupt nicht neidisch sind, nein): Und dann gabs keines mehr von Agatha Christie. Zehn unterschiedliche Personen finden sich auf einer einsamen Insel ein. Bald werden die ersten nach dem Zehn-kleine-Negerlein-Prinzip auf unterschiedliche Weise dahingerafft und die Verbliebenen haben plötzlich dringendere Sorgen als die ausbleibende Cateringlieferung per Schiff.
(Quelle: Fabelhafte Bücher)

Kim jong-Un - Bad Hair Day
Foto: Daily Mail

Was sagt uns diese Hitliste?
Jetzt komm mir nicht mit: Warum zum Henker kennt kaum ein Mensch Dickens‘ Buch, wenn es doch auf Platz eins steht? (Wahrscheinlich, weil es noch keine App dafür gibt. Das ist wie mit der Bibel, dem meistverkauften Sachbuch der Welt. Wobei ich glaube, dass die von vielen nicht gelesen wird, weil sonst der goldbedruckte Rücken verknickt und das will man ja nicht. Sieht unschön aus im Regal. Außerdem kennt man das Ende schon).
In diesem Beitrag geht es um erfolgreiche Romane, also um Verkäufe, und nicht um die meisten Leser. Wenn du auf viele, viele Leser aus bist, veröffentlichst du deinen Roman besser gleich auf einer Piratenseite und tarnst ihn als unter höchsten Gefahren illegal beschafftes unveröffentlichtes Manuskript von, sagen wir, Kim Yong-Un, dem nordkoranischen Diktator. (Womit wir doch wieder bei der tödlichen Bedrohung gelandet sind).
BTW: Kim Jong-Un ist es laut eigener Aussage gelungen, zur Sonne und wieder zurück zu fliegen. The Onion wählte ihn 2012 zum Sexiest Man Alive. Großartiger Typ, der Kim. Ich verneige mich in Demut. Und der Londoner Friseur Mo Habbach hat 2014 Kims Porträt zu Werbezwecken in sein Schaufenster gehängt, versehen mit der Unterschrift Bad Hair Day? Kurz darauf erhielt der Coiffeur Besuch von einer Abordnung der nordkoreanischen Botschaft und das Plakat wurde flugs entfernt. Ich möchte auch solche Kumpels, falls mal wieder jemand ein peinliches Handyfoto von mir schießt.
Schweife ich ab?
Also, du brauchst ZWINGEND eine tödliche Bedrohung in deinem Roman, wenn du eine erkleckliche Zahl an Käufern finden willst. Und selbstredend solltest du mit dieser Bedrohung nicht hinterm Berg halten. Hau in deinem Klappentext ordentlich auf die Kacke (Das Thema Klappentext kommt auch noch, keine Sorge. Meine 5-Dinge-Reihe ist sozusagen das Rundum-Sorglos-Paket für deinen Bestseller, nur schreiben musst du ihn noch selber).
Vielleicht wirst du jetzt einwenden, dass es in deinem Roman aber um eine heitere, positive, locker-flockige Liebesgeschichte zwischen einer sympathischen Bulettenwenderin aus armen Verhältnissen (die zufällig wie ein Topmodel aussieht – das tun sie doch alle) und einem international erfolgreichen Karnickelzüchter mit Dreitagebart geht (und Sixpack, logo. Karnickelzüchter sind die neuen Brad Pitts, ich schwöre. Wie ich darauf komme? Mein Nachbar mit dem Traktor sieht auch nicht so aus, wie ich mir immer einen Bauern vorgestellt habe, so mit Gummistiefeln, Plautze, Schnapsfahne und graumeliertem Doppelkinn. Nope. Au Contraire. Jetzt weiß ich: Magic Mike fährt einen Trecker. Und er hat einen Kaninchenstall auf seinem Hof. UND ER IST MEIN NACHBAR … Kreisch! Natürlich ist es reiner Zufall, dass mein Auto regelmäßig im Schlamm steckenbleibt und von seinem schicken Traktor freigezogen werden muss …). Back to Topic: Deine Romanstory ist nett, ehrlich. Aber im Vertrauen: Wir beide wissen doch, dass Nett der kleine Bruder von … Naaa? … richtig, von Scheiße ist.
Mach aus dem erfolgreichen Karnickelzüchter einen knackigen jungen Waffenhändler, der dem IS ein paar Nerf-Guns untergejubelt hat und nun auf deren Abschussliste steht. Die Bulettenwenderin wird über sich hinauswachsen, um ihre noch taufrische Liebe des Lebens vor der bärtigen Bedrohung zu retten, bevor die ihn vor laufender Kamera köpfen, ich schwöre abermals!
Das ist dir zu starker Tobak? Dann bleib beim Kaninchenzüchter und nimm einen skrupellosen, erfolgsgeilen Küchenchef dazu, der den preisgekrönten, ungewöhnlich intelligenten Rammler Ramses mit den flauschigen Knickohren unbedingt mit Knoblauch spicken will, weil er ja dieses ganz besondere Buffet für den arabischen Ölprinzen … Zack, tödliche Bedrohung. Schon bekommt die Story ordentlich Drama. Und Drama, Baby, ist alles, was zählt.
Helden und Heldinnen brauchen etwas, das sie vor Verzweiflung und Angst zu Höchstform auflaufen lässt. Sie müssen sich einer Bedrohung gegenüber sehen, die gewichtiger ist als eine angebrannte Bulette und einem Anschiss von der Chefin (die auch nur Realschulabschluss und sich in der Fastfoodkette zur Geschäftsführerin hochgeschlafen hat, die arrogante Schlunze). Mittelmäßige Dramen bietet unser Alltag zur Genüge: Der Nachbar hat wieder Kartoffelschalen in die Gelbe Tonne geworfen und am Wochenende kommen Schwiegerelterns zu Besuch und meckern über dein bioveganes Fünf-Gänge-Menü. „Der arme Junge fällt ja vollkommen vom Fleisch! Hier, nimm diese Gutscheine für die Fastfoodkette, die machen dort tolle Buletten. Das nette Mädel am Grill weiß nämlich noch, was Männer brauchen – und übrigens: Sie hat keinen Freund, mein Junge.“
Nichts gegen romantische Liebesbriefe auf zartrose Papier, die der Heldin tiefe Seufzer hervorlocken, und nichts gegen philospohische Unterhaltungen beim Spaziergang im Park, die so verkopft sind, dass man am Ende des Satzes nicht mehr weiß, womit er angefangen hat. Nichts gegen alte Männer, die aus dem Fenster des Seniorenheims klettern und erst recht nichts gegen junge Millionäre, die ihrer Praktikantin vorm Geschäftsessen noch schnell den Hintern versohlen.
Aber die dicken Fische fängt man mit Blut, Schweiß und Tränen und der tödlichen Bedrohung. Das wusste schon Herman Melville. Okay, Ahabs Fischfang ging mächtig nach hinten los und er endete als Sushi mit Holzbein (Ups, Spoiler). Aber wenn er nur am Dorfteich gehockt und Willy, den legendären Einen-Meter-fünfzig-Wels hätte angeln wollen, hätte Moby Dick mit Sicherheit weniger Käufer gefunden. Du siehst, selbst aus einem läppischen Angelausflug kann man mächtig was herausholen, wenn eine tödliche Bedrohung eingebaut wurde.

Was ich damit sagen will: Wenn du eine tödliche Bedrohung in dein Buch einbaust (und derer gibt es viele, sie liegen quasi überall herum) und dein Buch wird deswegen ein Bestseller, darfst du mir gerne eine angemessene Gewinnbeteiligung überweisen 🙂
Alternativ auch einen Trecker in mattschwarz. Mit Totenkopfemblem vorne drauf.
Wenigstens eine Tafel Schokolade? Eine ganz kleine aus dem Aldi?
Seufz … Naja, einen Versuch war es wert, oder?

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