Zurück in der Zivilisation …

Die lange Pause ist beendet, ich sitze wieder am Rechner und habe auch den Einschaltknopf endlich gefunden.

In diesem Sommer stand eine Solotour in Norwegen an: über das arktische Plateau in Hallingskarvet und anschließend eine nicht ganz so klassische Nord-Süd-Querung der Hardangervidda (nicht klassisch, da ich noch einige unökonomische Abstecher nach Osten und Westen machte). Da der Winter in diesem Jahr nicht weichen wollte, lag noch Anfang August ordentlich Schnee und manche Sommerbrücke konnte nicht errichtet werden.

Lagerplatz am Finsevatnet

Der Weg über das arktische Plateau hat mich -wie vom Hüttenwart in Hallingskeid vorausgesagt- gut doppelt soviel Zeit gekostet wie geplant. Der Schnee lag noch hoch, hinzu kamen brüchige Schneebrücken, Lawinengefahr und schlechte Sicht durch den nicht weichen wollenden Nebel,  was die Orientierung mittels Karte/Kompass erschwerte. Die ersten Tage habe ich weder Mensch noch Tier gesehen (sieht man mal von einigen erfrorenen Insekten ab) und kam mir fast vor wie das letzte Lebwesen auf Erden, gefangen in einer neuen Eiszeit.

Hallingskarvet

Die Vidda-Querung und insbesondere die Umgebung des Gletschers waren ein tolles Erlebnis. Die intensiv-blauen Mondseen am Hardangerjøkulen, das glitzernde Weiß und die teils schneebedeckten Berge um mich herum gaben mir das Gefühl, in einer Zauberwelt eingetreten zu sein.

Auf dem Weg nach Rembesdalseter

Die sattgrünen Hänge und die rauschenden Wasserfälle, die Flüsse und Seen, die schroffen Abgründe und engen Täler, die endlosen, baumlosen Weiten und vor allem die Stille taten der Seele einfach nur gut, genau wie das ununterbrochene Draußensein und das tägliche Laufen mit Gepäck auf dem Rücken. Im Kopf überschlugen sich die Gedanken, neue Bilder entstanden, neue Ideen wurden geboren. Das archaische Einfach-Nur-Vorwärtsgehen, die Natur um einen herum und die immer wieder verblüffende Feststellung, wie wenig man doch zum Leben braucht, geben Kopf und Körper mehr Futter als alle Bücher und Suchmaschinen der Welt.

Torehytten – auf dem Weg zum Hårteigen

Ich habe meine Figuren und ihr Leben, die Geschichte, an der ich arbeite, und die Welt, in der sie spielt, völlig neu kennen gelernt. Ich habe neue Blickwinkel entdeckt, die sich wohl erst durch ein stoisches Geradeaus, weitab von allem Gewohnten, auftun.

Die Tour war ziemlich anstrengend für mich; mein Rucksack wog, da ich ja allein über mehrere Wochen unterwegs war, irgendwas zwischen 22 und 24 kg – eigentlich ein bisschen viel für eine Frau. Aber nach wenigen Tagen habe ich das Gewicht kaum noch gespürt (wenn ich nicht gerade klettern musste); ich war am Tag etwa 7 – 9 Stunden unterwegs, richtige Pausen habe ich nicht eingelegt (wenn ich einmal laufe, dann fällt es mir entsetzlich schwer, mich ohne Rucksack auf dem Rücken in den Schatten zu setzen, ausgiebig zu essen und anschließend eine Stunde zu chillen).

Lagerplatz in der Nähe von Stavali

Sich allein über längere Zeit vorwärts zu bewegen (egal, ob Wandern, Wildnistrekking oder Langstreckenlaufen) ist eine Art Meditation, die einen zwingt, sich mit sich selber auseinander zu setzen. Die einzige Gesellschaft, die man hat, ist das eigene Ich, die einzige Unterhaltung neben der Umgebung sind die Gedanken, die der Kopf gebiert.

Abendwolken auf dem Weg nach Kinsarvik

Zurück in der Zivilsation gilt es erstmal, meine Ideen und Gedanken zu ordnen und die neu gewonnene körperliche und geistige Energie sinnvoll aufrecht zu erhalten und zu erweitern. Ich freue mich darauf, meinen Charakteren ganz neu zu begegnen und die Geschichte unter anderen Blickwinkeln zu betrachten. Das bedeutet möglicherweise, dass manche Passagen komplett neu geschrieben werden müssen oder sich Prämissen ändern. So what? Ich habe alle Zeit der Welt.

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