5 Dinge, die man als Autorin gerne vorher gewusst hätte

Sooo lange bin ich noch nicht als Fulltime-Autorin unterwegs. Und eigentlich wollte ich ja auch nicht … uneigentlich aber schon. Naja, es war jedenfalls nicht geplant. Ich bin da irgendwie so reingestolpert. Plumps. Und plötzlich siehst du dich mit Dingen konfrontiert, von denen dir vorher keiner etwas gesagt hat.
Hier eine kleine Hitliste von Dingen, die ich gerne vorher gewusst hätte:

1. Das erste Buch läuft scheiße. Immer.
Okay, es gibt Ausnahmen. Aber die heißen nicht umsonst Ausnahmen (oder Joanne K. Rowling oder E.L. James) und sind bei Verlagen untergebracht, die einen dicken Batzen Geld in Werbung, geiles Cover und Autorenauftritte stecken.
Indieautoren wissen natürlich, dass das Buch nicht automatisch gekauft und gelesen wird, nur weil es jetzt da ist. Es steigt auf Platz Einhundertzwölftausendvölligunsichtbar ein und da bleibt es auch erstmal, egal, wie penetrant man auf Facebook fremder Leuts Timeline mit „Hier ist mein tolles Buch! Kauft es gefälligst, ihr Nasen!“ zupflastert.
Indieautoren wissen das, ja. Und trotzdem glaubt jeder heimlich, dass das Buch einschlagen wird wie eine Granate. Es ist nämlich gut. Die beste Freundin sagt, es sei der Hammer. Die Welt da draußen wird ebenfalls einsehen, dass es der Hammer ist. Es geht gar nicht anders.
Das Buch ist also seit gestern auf dem Markt. Schon mal nicht schlecht.
In den ersten Wochen starrt man alle halbe Stunde auf die Verkaufsstatistik, die ungefähr so aussieht:
Verkaufsstatistik
Dann seufzt man ergeben, schleicht ins Büro des Chefs und fragt leise, ob man seinen Job wiederhaben kann, den man gestern mit den Worten „Ich werde jetzt Beststellerautor und kack dir auf den Schreibtisch, du hässlicher Gnom von einem Sklaventreiber!“ ein wenig zu voreilig gekündigt hat.
Man storniert noch schnell die King’s Suite, die man in weiser Voraussicht für die nächste Leipziger Buchmesse im Steigenberger Hof gemietet hat und nimmt einen Kredit auf, um die Stornogebühren zu begleichen. Und die Kosten für die 150.000 Hardcoverexemplare, die man auf eigene Rechnung hat drucken lassen und die sich nun in der Garage stapeln. Nein, halt, es sind nur noch 149.998 Bücher. Ein Exemplar hat man der netten Bäckereifachverkäuferin geschenkt, die das Buch ratlos in den Händen dreht und verlegen lächelt, ein anderes der blöden Kuh von nebenan, die immer so etepetete tut mit ihrem kleinen Kläffer und dem quietschgelben Cabrio. Möglicherweise hat man dabei etwas gesagt wie „Ich hoffe, Sie können lesen, Sie Dumpfbacke. Übrigens ziehe ich aus. In ein Anwesen an der Cote d’Azur. Nichts Großes, nur zehn Pferdeboxen, ein Zwanzig-Meter-Pool und ins hauseigene Kino passen auch gerade mal dreißig Gäste. Ätsch!“
Heute zieht man sich eine Papiertüte über den Kopf, auf die man einen Schnäuzer gemalt hat, und behauptet, man heiße Horst Kadiddlehopper und stamme aus Kasachstan.
Also: Das erste Buch läuft scheiße, egal, ob es Ein Dutzend Shades of Deep Dark Purple heißt oder Zauberlehrling im Gemetzelkeller des Todes.

writer
Foto: cegoh/pixabay

2. Schreiben ist Arbeit.
Verdammt – ehrlich jetzt? Was ist mit Bohéme, mit „Ich bin Autor, ich brauche meinen kreativen Freiraum“? Was ist mit frühmorgens (also so gegen halb vier Uhr nachmittags) im Bademantel Cognac aus der Kaffeetasse trinken, danach ins Café schlurfen, geistreiche Gespräche mit anderen Autoren führen, geistreiche Sätze ins Notizbuch kritzeln und sich anschließend diversen geistreichen Getränken widmen?
Hey, wenn ich blöd arbeiten wollte, würde ich weiterhin mit Papierstau am Kopierer kämpfen oder im Nieselregen auf dem Malergerüst stehen und Fassaden in dottergelb anpinseln! Aber ich bin … Dingens, eine Poetin oder so.
Mimimi.
Schreiben bedeutet für mich jetzt: morgens den Rechner anschalten, schreiben, Kaffetrinken, dämliche Sätze löschen, neu schreiben, Haareraufen und die Wortstatistik anklicken. Geplant waren für heute 20.000 Worte. Geschafft hat man nach sechs Stunden genau 463 (allesamt Fußnoten und Randnotizen im Stil von „Ich glaube, ich lasse den Helden einfach sterben. Der Idiot nervt und hat ne Scheißfrisur.“).
Mist, man wollte doch bis Monatsende die Rohfassung für den neuen Roman …
Dann kriegt man noch Rückenschmerzen, akute Panik wegen der Deadline und die Tantiemenabrechnung, die man in die Buchhaltung einpflegen muss. Nachdem man das Schreiben erledigt hat, versteht sich. Also nach Feierabend (den Autoren eh nie haben). Und allmählich sollte man sich mal Gedanken über einen Klappentext machen, der mehr beinhaltet als „Kauft dieses Buch; es ist echt geil und auf jeder Seite steht was anderes!“
Wenn man ernsthaft Schreiben will, sollte man so tun, als wäre es ein stinknormaler Job. Weil: Genau das ist es nämlich, ob nun Voll- oder Teilzeit oder nebenher. Man setzt sich jeden Tag zur möglichst gleichen Zeit hin und schreibt. Es sollte einem zur Gewohnheit werden, sein Pensum zu erfüllen. Das wirkt Schreibblockaden entgegen und sorgt für Nachschub auf dem Büchermarkt. Und dafür, dass man von der Welt nicht vergessen wird, weil zwischen Band eins und Band zwei siebzehn Jahre liegen.

3. Keiner versteht mich.
Das stimmt nicht so ganz. Andere Autoren verstehen einen.
Aber der Rest der Welt hält einen für a) meschugge, b) ein Mimöschen oder c) vollkommen untauglich für den richtigen Arbeitsmarkt.
Meschugge deshalb, weil man während des friedlichen Mittagessens plötzlich „Oh Gott, Hank erstickt doch in Kapitel sieben an einer Fischgräte, da kann er in Kapitel neun doch nicht mit Uschi plaudern!“ ausstößt und an den Schreibtisch zurückhastet. Oder weil man auf einer wilden Party verträumt ins Nichts starrt und „Nicht vergessen: Außerirdische mögen keinen Ziegenkäse“ murmelt.
Ein Mimöschen ist man, weil man wegen der Rezension von Ein kritischer Leser in Tränen ausbricht und sich drei Tage lang weigert, unter dem Sofa hervorzukriechen. In der Rezension stand „Ganz nett, wenn man keine hohen Ansprüche stellt und Aliens mag. Punktabzug, weil die Außerirdischen keinen Ziegenkäse mögen.“
Ja, auch die Leser verstehen einen nicht. Da hat man so herrlich gesellschaftskritische Botschaften subtil in seinen Roman eingearbeitet und die beschweren sich über Ziegenkäse? WTF?
Es ist allgemein bekannt, dass Autoren hierzulande üblicherweise nicht von ihren Buchverkäufen leben können. Wenn man sagt: „Ich schreibe“, dann bekommt man ein mitleidiges Lächeln, einen Fünfer in die Hand gedrückt und die warmen Worte: „Hier, damit du dir mal wieder nen frischen Kaffee leisten kannst.“
Ich schreibe ist gleichbedeutend mit Ich produziere brotlose Kunst (oder ähnlichen Mist, den keiner braucht). Wer schreibt, ist zu blöd für einen richtigen Job und liegt dem Rest der Welt auf der Tasche. „Dein Glück, dass dein bedauernswerter Mann diese fixe Idee mit der Schreiberei unterstützt“ ist ein durchaus häufig gehörter Satz.
Andererseits glauben manche im Freundeskreis, dass man mindestens Spiegel-Bestsellerautor ist, regelmäßig von der Verlagslimousine zur Lesung im Bernsteinzimmer gekarrt wird und deshalb die Rechnung für die ganze Bande im teuersten 5-Sterne-Restaurant der Stadt aus der Tasche leiern kann. „Du bist doch jetzt Autorin, da wird doch wohl noch ein Fläschchen Schampus drin sein.“
Wenn man schreibt, kann der Kontakt zu anderen Leuten, die ebenfalls schreiben, lebenswichtig sein. Andere Autoren rücken dir den Kopf zurecht, wischen dir mitfühlend die bitteren Tränen von den Wangen und schubsen dich sanft wieder zurück an die Tastatur. „Ja, die Welt ist gemein und verständnislos, aber dein Roman schreibt sich trotzdem nicht von allein.“

4. Man benutzt seltsame Wörter und verdrehte Sätze.
Auch, wenn sie unangebracht sind.

Vor allem, wenn sie unangebracht sind.
Wenn man gut schreiben will, fängt man an, sich mit Synonymen zu beschäftigen, mit ungewöhnlichen Formulierungen, mit der Vermeidung von peinlichen Klischees. (Doof ist, wenn man feststellt, dass es für Vagina kein poetisch klingendes Synonym gibt, abgesehen von Lustgrotte, haha). Man kreiert Bandwurmsätze, die anderthalb Seiten füllen. Der Wortschatz vergrößert sich um Begriffe wie „Prokrastination“ (Jaha, DAS Wort kennt jeder Autor!), „Koryphäe“ oder „Incentive“. Und weil die Testleser sagen, dass sie mit „Incentive“ nichts anfangen können, schreibt man halt „Er liebte diesen Anreizeffekt zu erhöhter Leistungsbereitschaft, ausgelöst durch eine wirtschaftpolitische Maßnahme.“
Dummerweise schreibt man solche Dinge nicht nur in seinem Manuskript. Man benutzt sie irgendwann auch im Alltag. Dann wird man angestarrt, als klebe einem ein Stück Ziegenkäse an der Backe. Mit Freunden darüber zu diskutieren, welchen Film man im Kino anschauen will und dann etwas zu sagen wie „Ich präferiere Crimson Peak wegen seiner reziproken Subsumierung und des chevaleresken Protagonisten“ kommt nicht gut.
Noch schlechter kommt, wenn man zu einem gut gekleideten Mann sagt: „Ey, geiler Vatermörder!“ Zack, hält man sich jammernd die blutende Nase und kriegt zu hören: „Behaupte noch einmal, ich hätte meinen Alten gekillt, und ich …“
(Ein Vatermörder ist ein veraltetes Wort für Stehkragen).

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Foto: 123rf

5. Man wird irgendwie komisch.
(Vielleicht war man auch vorher schon komisch und hat es nur nicht gewusst …)
Jetzt brüllt man tatsächlich Sätze wie „Verdammt noch mal, ich kann so nicht arbeiten!“, nur weil draußen auf der Straße ein Fiat Panda mit klapperndem Auspuff vorbeifährt.
Man schleppt immer sein ledergebundenes Notizbuch mit sich rum und schreibt Sachen rein wie „Dieser Archaismus existiert nur im Plural und hat seinen Ursprung höchstwahrscheinlich im Französischen.“ Mit dem Satz kann man später, wenn man ihn liest, selbstverständlich nix anfangen. Aber als man ihn geschrieben hat, fand man ihn voll  genial.
Man trinkt plötzlich Kaffee, obwohl man jahrzehntelang Kaffee verabscheut hat. Aber irgendwie steht auf einmal eine Kaffeemaschine in der Schreibklause und man hat eine Lieblingstasse, die niemand anrühren darf.
Eine Lieblingstasse.
Wie im Großraumbüro.
Echt jetzt.
Man isst seltsame Dinge zu seltsamen Zeiten. Wenn einen der nächtliche Schreibwahn überkommt, leert man nebenher das Glas mit den eingelegten Gurken (und bekommt am nächsten Morgen die ängstliche Frage vom Mann zu hören: „Sag mal, ehm, werde ich möglicherweise Vater?“)  Man knabbert gedankenverloren an etwas Hartem herum, während man über der Kampfszene brütet, und merkt erst nach einer Weile, dass es Hundekuchen mit Pansengeschmack sind.
Man kleidet sich komisch. Morgens streift man sich schlaftrunken den rosafarbenen Bademantel über die Bügelfaltenkostümhose, die zufällig über der Stuhllehne hängt, trägt dazu die Monsterfuß-Puschen und eine häßliche Wollmütze, weil man gerade keine Lust hat, sich zu kämmen – und natürlich klingelt genau dann dieser total heiß aussehende Typ mit den sexy Grübchen und dem deutlich sichtbaren Sixpack unterm Shirt, der sich in der Hausnummer vertan hat. Danke, liebes Karma.
Man redet mit Leuten, die nicht da sind. Also, nicht für den Rest der Welt da sind. Für den Autor existieren sie selbstverständlich. Es sind seine Protagonisten, die einfach nicht tun wollen, was sie laut Plot tun sollen. Meistens streitet man sich mit ihnen, wenn man bei Schwiegerelterns beim Sonntagsbraten sitzt und sich langweilt. Dabei vergisst man schon mal, dass man sich besser lautlos streiten sollte.
Schwiegermama beugt sich dann zu ihrem Sohn und flüstert: „Wusstest du übrigens, dass die Karin Berghausen wieder zu haben ist? So ein nettes Mädel und eine ganz Vernünftige! Stellvertretende Filialleiterin bei der Sparkasse.“ Dabei beäugt sie einen misstrauisch, als würde man sich jeden Augenblick die Kleider vom Leib reißen und sich die Soßenterrine über den Kopf stülpen.
„Sie ist Autorin – du weißt schon“, raunt Männe, der miese Verräter, und macht dabei eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger an der Schläfe. „Letztens hat sie mich mit einem qualvollen Tod bedroht, weil ich keine eingelegten Gurken gekauft habe.“
„Gott bewahre, ist sie etwa schwanger?“, stößt Schwiegermama entsetzt hervor.

Es gibt natürlich noch viel, viel mehr Dinge, die ich gerne vorher gewusst hätte. Diese lästige Sache mit der Buchhaltung und dem Steuerzahlen beispielsweise, oder dass „Danke fürs Buchkaufen! Ich lege ein Hundehaar als Lesezeichen bei“ als Widmung eher suboptimal ist.
Aber für heute möchte ich es bei den obigen fünf Dingen belassen. Und vorsorglich darauf hinweisen, dass ich beim Schreiben KEINE Wollmütze trage. Und eingelegte Gurken mag ich eigentlich auch nicht. Aber manchmal schon. Irgendwie. Und nein, ich bin NICHT schwanger.

 

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