Beten schadet nicht, hilft aber auch nicht – Aufruf zum Trotz

Beten schadet nicht, hilft aber auch nicht – Aufruf zum Trotz

„You must not lose faith in humanity. Humanity is an ocean; if a few drops of the ocean are dirty, the ocean does not become dirty.“
Mahatma Gandhi

So um das Wochenende herum mache ich mir immer Gedanken um einen neuen unterhaltsamen Blogbeitrag. Nach diesem furchtbaren Freitag, den 13., der bis dato nie wirklich ein Unglückstag war, dürfte klar sein, dass das dieses Mal flach fällt.
Ich möchte aber auch nicht über Fassungslosigkeit, Schock, Beileid, Mitleid und „Rottet sie alle aus!“ lamentieren. Die erste Reaktion nach dem ungläubigen Schock ist immer der blutrot gefärbte Ruf nach Vergeltung.
Denn das, was eigentlich jedem denkenden Menschen heilig sein sollte – Leben, das friedliche Miteinanderleben, das Leben und Leben lassen, immer wieder das LEBEN  – wurde wieder einmal in tausend Fetzen gerissen.
Niemand kann nachvollziehen, was in einem Kopf vorgeht, der der Schöpfung dermaßen hasserfüllt und mordlüstern gegenübersteht, dass er sogar sein eigenes Leben dafür gibt, um sie auszurotten. Ich glaube, deutlicher kann man seiner Gottheit nicht klarmachen, wie sehr man Sein schöpferisches Werk verachtet.
Ich bin nicht religiös, aber ich glaube an das Leben. An die Kraft hinter allem, die diesen Planeten mit überbordenden Leben gefüllt hat und dafür sorgt, dass ebendieses Leben immer seinen Weg findet. Denn das wird es, ganz gleich, wie viele Bombenattentate, Massaker, Geiselnahmen verübt werden. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hatte Hass und Vernichtung Bestand.
Noch nie.
Wir Menschen sind mickrige lamentierende Würstchen angesichts der ungeheuren Lebenskraft, die am Ende immer siegen wird. Selbst wenn wir alle Atombomben gleichzeitig zünden würden und alle in Schutt und Asche legten, würde das Leben eines fernen Tages zurückkehren (dann aber wahrscheinlich ohne uns).

Bildschirmfoto 2015-11-15 um 09.08.44

Die Zeichnung stammt vom französischen Zeichner Joann Sfar, der auch für die Zeitschrift Charlie Hebdo gearbeitet hat, auf die im Januar ein Terroranschlag verübt wurde. (Quelle: Tonspion)

Auf Facebook habe ich sehr erschüttert und reichlich hilflos  „Pray for Paris, Lebanon, Syria …“ gepostet.
Dann habe ich über den Post nachgedacht. Bescheuert, sorry. Beten schadet sicher nicht, hilft aber auch nicht. Gegen gar nichts. Eine Kerze ist eine schöne Geste, aber irgendwann ist sie abgebrannt.
Die Anschläge in Paris, ebenso wie alle vergangenen brutalen Ereignisse sind die übelste Form der Blasphemie, denn sie richten sich gegen die Schöpfung. Tiefer kann kein Mensch sinken. Es ist schnurzpiepegal, ob man an Gott, Allah, Mutter Natur, die Matrix oder was auch immer glaubt. Wer sich gegen das Leben richtet, richtet sich damit auch gegen alles, an was er eigentlich zu glauben behauptet. Er tritt seinem Gott mit Anlauf in den Arsch, mit Verlaub.
Die Zerstörung der Schöpfung ist kein Akt der Demut, der gläubigen Hingabe, der Dankbarkeit und ganz gewiss macht sie die Welt nicht zu einem besseren Ort.
Dafür gibt’s keine Jungfrauen im Paradies. Kein Gott, keine Kraft der Natur wird sich erkenntlich dafür zeigen, dass ein paar hasserfüllte Verstrahlte sich gegen sein oder ihr Werk gerichtet haben.
Beten hilft nicht. Sich verschanzen und nach größtmöglicher Überwachung schreien hilft auch nicht. Paris war nicht zuletzt wegen Charlie Hebdo ständig in latenter Alarmbereitschaft.
Hasstiraden und „Schickt alle Flüchtlinge dahin, wo sie hergekommen sind!“-Rufe helfen erst recht nicht. Egal, ob man Parolen in sozialen Netzwerken postet oder militärische Vegeltungsschläge plant – all das haut in die gleiche Kerbe, die die Attentäter geschaffen haben: Nieder mit dem Leben!
Die Aufgabe jedes Einzelnen, davon bin ich fest überzeugt, liegt darin, die Welt auf seine oder ihre Art besser zu machen. Denn dies ist die einzig wirkungsvolle Art des Betens, die einzige Art, sich für das Leben zu bedanken, das einem gegeben wurde.
Okay, das ist verflucht schwierig, wenn man die Bilder ansieht, die über die Bildschirme flimmern, wenn man die fanatische Hingabe bedenkt, mit der Menschen dahingemetzelt wurden und werden.
Aber von leicht war nie die Rede.
Meine Kollegin Kay Noa hat es prägnant auf den Punkt gebracht: Tut doch einfach, was ihr könnt. Was ihr schafft. Was ihr wollt. Redet nicht. Tut es einfach.
Wer es schafft, uns in einen Zustand aus Angst, Hass und permanentem Misstrauen zu bomben, hat gesiegt. Über das Leben, über die Menschlichkeit, über das angeborene Recht, das beste Leben zu führen, das man führen kann, über all das Gute, das es gibt.
Ich appeliere an euren Trotz: Feiert das Leben! Seid Menschen, seid menschlich! Versucht, so glücklich wie möglich zu sein und gebt so viel wie möglich von dem Guten ab, das in euch steckt. Noch einmal: Feiert das Leben!
Hass macht nicht glücklich. Hass führt zu noch mehr Hass und endet in Asche. Niemand möchte seine Kinder in einer brennenden Welt aufwachsen sehen, in der Hass und Angst zum permanenten Begleiter gehören. Wer sich dem Hass hingibt, tritt die Schöpfung mit Füßen.
Und falls es jemand nicht mitbekommen hat: Das Gute siegt immer. Sonst wäre die Menschheit längst schon ausgerottet.

Nachsatz in eigener Sache:
Gerade noch habe ich „Ode an die Nacht“ beworben, das Buch, dessen Finale u.a. im legendären Pariser Bataclan-Club spielt. Vor einigen Jahren habe ich dort ein großartiges Opeth-Konzert besucht und war einige Stunden lang unglaublich glücklich. Jetzt ist mir schlecht und es zerreißt mir das Herz, auch nur das Buchcover anzuschauen.
Aber das ändert nichts daran, dass das Bataclan ein Ort ist, an dem sehr, sehr, sehr viele Menschen sehr, sehr, sehr glückliche Momente genossen haben. Das kann kein durchgeknallter Mörder, kein fanatischer Attentäter je auslöschen. Stellt euch auf den Kopf, ihr feigen kranken traurigen seelenlosen kreischenden Schwanzlutscher, ihr habt schon verloren! Das Gute, Glücklichmachende hat längst stattgefunden, als ihr über diese Orte hergefallen seid.
(Und ehrlich, wenn ich je sterben müsste, dann wäre ein geiles Konzert für mich persönlich nicht der schlechteste Ort. Ich poche auf mein Recht, das Beste vom Leben mitnehmen zu dürfen, keine hasserfüllte, schwarze traurige Seele wird mich auf ihr trostloses Niveau herabziehen! (hier bitte Stinkefinger einfügen))

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