Projekte, Projekte …

Geschafft! Das Projekt “Schreibklause aufhübschen” hätte ich erfolgreich hinter mich gebracht, trotz Saunatemperaturen draußen, kryptischen Schrankaufbauanleitungen und nicht-haltenden Dübeln in der Wand. Von der Kaffeemaschine, die unerreichbar hinter einer gigantischen Wand aus Möbelkartons, zwischengeparkten Regalen und eiffelturmhohen Bücherstapeln schlummerte, gar nicht erst zu reden.
Jetzt sind die Möbel aufgebaut und all der Krams verstaut, der Schreibtisch steht, der Rechner – O Wunder! – fährt hoch, nachdem ich mit fröhlichem “Dafür muss man kein EDV-Experte sein”-Leichtsinn am Innenleben rumgepfuscht habe. Und eine hübsche, noch recht leere Bücherwand samt gemütlicher Leseecke habe ich auch endlich in meiner Klause. Wenn meine koffeinsüchtigen Heimsuchungen spitz kriegen, dass hier jetzt ein schickes neues Sofa steht, dürfte kontemplative Ruhe zur Förderung des kreativen Schreibprozesses endgültig der Vergangenheit angehören.

Schreibklause
Foto: Catalina Cudd

A Propos Kreativität: In meinem Kopf summen und surren Geschichten und Ideen wild umeinander, rütteln an den Gitterstäben meines Verstandes und brüllen: “Jetzt schreib uns doch endlich auf, du Schnarchnase von einer Autorin!”
Ich schreibe ja, ich schreibe. Wieder einmal an zwei Geschichten gleichzeitig, aus Gründen … Zwischendurch schnitze ich an all den Ideen herum, verwerfe, grüble, benutze fleißig die Löschtaste, bekomme Panik und klicke auf Wiederherstellen. Catalina sprudelt über vor Schaffensdrang und der Kaffeevorrat sieht auch gut aus.
Dann erhalte ich ein paar Mails und ein öffentliches Feedback, in denen sich bitterböse darüber echauffiert wird, dass ich Roman A veröffentlicht habe, obwohl man doch die Fortsetzung von Roman B erwartet habe. Was mir denn einfiele? Frechheit!
Gut, die Kröte schlucke ich dann mal. Mit Kaffee natürlich.
Dann erkläre ich nett, warum Roman A vor Roman B erscheint, dass auch mein Autoren-Tag nur 24 Stunden hat und ich ab und zu mal essen, schlafen und mit dem Hund Gassi gehen muss. Und dass der Vorgänger von Roman B, obschon seit anderthalb Jahren auf dem Markt, bislang nicht mal die Stromkosten der Schreibklause deckte, Roman A aber dafür sorgt, dass ich mich guten Gewissens Vollzeit-Autorin nennen darf. Roman A wurde in meiner Arbeitszeit erschaffen. In meiner Freizeit schreibe ich brav an Roman B weiter, der nach kaufmännischem Dafürhalten ein Hobbyprojekt ist, weil er Geld kostet, statt welches einzubringen. Wie das mit Hobbys halt so ist. Man tut Geld oben rein und unten kommt Freude raus.
Für ein kreatives Hobby muss man allerdings in der rechten Stimmung sein, sonst kommt Murks dabei herum. Ich sitze jetzt an meinem schönen neuen (erschreckend ordentlichen) Schreibtisch, starre auf den leeren Monitor und mein Kopf ist ebenso leer. Die Kaffeetasse gottseidank nicht.
Bin ich nun Lohnschreiberin? Muss ich alle zwei Wochen irgendwas auf den Markt werfen, um böse Zeilen zu verhindern, in denen vehement die Fortsetzung von Reihe Sowieso gefordert wird, sonst werde ich in der Hölle schmoren und bis in alle Ewigkeit 36-Seiten-Arztromane schreiben müssen? Sitzt in diesem Moment irgendwo ein enttäuschter Leser und bohrt mit grimmigem Lächeln lange spitze Nadeln in eine Catalina Cudd-Puppe?
Ich möchte kein schnell hingerotztes Lese-Fastfood veröffentlichen, sondern Geschichten, auf die ich stolz sein kann. Das geht nur mit viel Herzblut und Zeit. Und Kaffee natürlich.
Und all den vielen tollen Zuschriften von LeserInnen, die sich einfach über ein schönes Buch freuen und geduldig der Fortsetzungen harren, die da kommen mögen (oder auch nicht. Man muss nicht alles bis zum bitteren Ende toterzählen).
Die Freiberufler-Autorin wägt die Projekte gegeneinander ab. Sie starrt in den Kaffeebecher, als läge die Antwort irgendwo im Koffein verborgen. Macht es Sinn, vier Monate Vollzeit an Roman B zu schreiben, ihn zu veröffentlichen und anschließend mit dem Hund ums Trockenfutter zu kämpfen, weil die Verkäufe nur für einen resignierten Seufzer reichen?
“Wen interessiert dein Gejammer?”, grummelt Gelal. “Wir sitzen hier auf heißen Kohlen, Schreiberin. Also sieh zu, dass du die Sache endlich in trockene Tücher bringst.”
Etwas Ähnliches hat Ash gestern Nacht auch gesagt, bevor er missbilligend an meiner Kaffeedose schnupperte. “Schon wieder kein Death Wish Coffee. Sag mal, machst du das mit Absicht?”

Kaffeebecher_1
Foto: Catalina Cudd

Unten auf der Straße nähern sich Motoren mit lautem Grollen, was bedeutet, dass die nächste Heimsuchung gleich auf der Matte steht und ihr Recht fordert. ich traue mich schon gar nicht mehr, die Tür zu öffnen. Bringt aber auch nichts; die finden ihren Weg in meine Klause (und zur Kaffeemaschine), und wenn sie sich dazu vom Dach abseilen müssen.
Ich liebe alle meine Bücher, egal, ob sie auf Verkaufsrang drei oder drölfzigtausend stehen. Ich bin gesegnet, weil mein Hobby gleichzeitig zu meinem Beruf geworden ist. Aber die Vernunft kann ich trotzdem nicht gänzlich beiseite schieben, sonst ist’s schnell Essig mit dem Autorendasein. Und dem unerschöpflichen Kaffeevorrat.
Daher, liebe Leute, lasst den Romanen die Zeit, die sie brauchen, um geboren zu werden. Seid geduldig und lasst euch überraschen – etwas anderes bleibt euch nämlich nicht übrig.
(Nur auf die geheimnisvolle Heilkraft des Kaffee ist immerdar Verlass.)

Was ich damit sagen will: Warum gibt es eigentlich keine Kaffeedosen, die mit einem wirklich soliden Vorhängeschloss versehen sind? Und warum ist in meiner Schreibklause neuerdings soviel Grün, wo doch Orange meine Lieblingsfarbe ist? Ist womöglich eine gewisse Naturfotografin nachts hier eingestiegen und hat heimlich alles umgepinselt …?
Fragen über Fragen.
(Und dem nächsten Roman lege ich eine kleine Catalina Cudd-Puppe bei, samt rostigen Nadeln. Okay?)

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