Sex, Drugs, Rock & Roll – und Bücher: Eine unvollständige Liste

Rockstar-Bücher liegen ja schwer im Trend. Wirft man einen Blick in die einschlägigen Top 10, stolpert man über mindestens eine Rockstar Romance.
Ich gebe zu, dass ich mich gerade mal an zwei Romane aus dem Genre gewagt und dann ernüchtert festgestellt habe, dass ich nicht die Zielgruppe bin. Dennoch möchte ich behaupten, dass das Grundschema ungefähr lautet: “nettes Mädchen-von-Nebenan, üblicherweise im Publikum stehend und ein bisschen schmachtend, verliebt sich in den heißen Bad Boy-Leadsänger und zum Schluss singt er ihr zu Ehren eine Liebesballade vor ausverkauftem Haus, die er gestern Nacht auf der Akustikgitarre komponiert hat”. Ausnahmen bestätigen die Regeln.
Wie gesagt, ich bin nicht die Zielgruppe. Bei den aktuellen Rockstar-Büchern geht es eher um das Beziehungsgeflecht “umschwärmter Celebrity datet schüchternes Mädchen” (das deswegen von ihren Freundinnen höllisch beneidet wird) als um dieses Dingens … wie heißt es noch … ah, Musik! Wenn Musik erwähnt wird, dann mehr so auf Fangirl-Ebene (ohne jemanden nahetreten zu wollen). Meist handelt es sich dabei nicht um “echte” Rockmusik, sondern mehr um Chartpoprock, der ein bisschen mit dem Schmirgelpapier aufgerauht und schwarzgefärbt wurde, damit der Leadsänger sich einen Dreitagebart wachsen lassen kann (ohne jemanden nahetreten zu wollen). Das ganz harte Zeugs also. Vielleicht sogar mit Formationstanz auf der Bühne. Und Tribal-Tattoos (ohne jemanden nahetreten zu wollen).
In Rockstar Romances geht es um die Romance und den Star, weniger um den Rock, und das ist auch gut so, denn Rock ist eine schmutzige Angelegenheit und hat eher selten ein Herzklopf-Happy End im Blitzlichtgewitter.
Musiker können verdammt gute Bücher schreiben, aber das mit der Romance haben sie bisher nicht hinbekommen. Und wen wundert’s? In Backstageräumen riecht es nach altem Schweiß, irgendein Blödmann hat sein Bier in den Verstärker gekippt und im Gitarrenkoffer liegt eine dreckige Socke – und so, wie die riecht, liegt die schon sehr, sehr lange dort. Im Tourbus laufen ununterbrochen Schmuddelfilmchen, Ron der Roadie hat sich vom Bassisten überreden lassen, Koks zu besorgen, “nur noch dieses eine Mal, Mann!”, und der Drummer hat das Handyfoto, das ihn und die beiden Doppel-D-Groupies auf dem Billardtisch zeigt (bitte keine schlechten Witze über Billardstangen, ja?), aus Versehen an seine Verlobte geschickt statt an seinen Kumpel. Und dass Rockmusiker nur noch in Ausnahmefällen sorglos von ihrer Musik leben können, weiß Geoff Barrow von Portishead nur zu gut.

Daher erlaube ich mir hier spaßeshalber, ein paar andere Bücher aufzulisten, die mit (Rock-)Musik und auch mit Stars zu tun haben, aber weniger mit Romance. Bücher über Musik, die einen den Verstand betäubt und sogar magische Dinge bewirkt. Bücher über Sex, Drugs, Rock & Roll. Über Songs, zu denen man seinen pubertären Kummer mit geklauten Apfelschnaps ertränkt oder frühmorgens in einer leeren Kellerwohnung neben einer wildfremden Person erwacht und seine Unterhose am Deckenleuchter hängen sieht. Oder Bücher, geschrieben von Musikern, deren Wortsprache so ein melancholisches Rauschen in den Ohren erzeugt, das noch lange nachklingt und den Tag irgendwie dickflüssiger macht.

Kill your Friends - John NivenJohn Niven – Kill your Friends
“Der ultimative Roman zum Untergang der Musikindustrie.” Einer der bösesten Romane, die ich je gelesen habe. Leider weiß John Niven, worüber er schreibt; er kennt sich im Musikbusiness aus. Steven ist ein abgebrühter, zynischer A&R-Manager, also eine Art Talentscout, bei einem Musiklabel und ein echtes Arschloch, sorry. Er nimmt, was er kriegen kann, schert sich einen Dreck um Künstlerseelen, beleidigt, kokst, hurt herum und signt nebenher Bands, die er über den Tisch zieht. Das Buch ist bei Heyne Hardcore erschienen und Hardcore bekommt man auch. Die Sprache ist fies, direkt, beleidigend. Sagte ich schon, dass Steven ein Arschloch ist, ein mieser, niederträchtiger hasserfüllter Anti-Held? Und trotzdem folgt man ihm durch den Roman. Das ist wie bei Autounfällen: Man kann nicht wegschauen. Und John Niven kann schreiben! Ich liebe seine Bücher.
“Das Musikgeschäft ist eine grausame und hirnlose Geldkloake, ein langer Korridor aus Plastik, in dem Diebe und Zuhälter tun und lassen, was sie wollen, und gute Menschen vor die Hunde gehen. Im Übrigen hat es auch eine negative Seite.” (Hunter S. Thompson). Das Zitat passt zu diesem Roman wie die Faust aufs Auge.

Dorfpunks - Rocko SchamoniRocko Schamoni – Dorfpunks
Der Schleswig Holstein-Punker Rocko alias Roddy Dangerblood hat sieben Alben rausgebracht, war Viva-Moderator und lieferte zu “Dorfpunks” folgende Erklärung: “Entschuldigung, es ging nicht anders.”
In lakonischen Worten schildert Rocko eine trostlose Jugend in der tödlichen Langweile eines 5000-Seelen-Kaffs, die nur in Suff, Gewalt und der Gründung einer schlechten Punkband enden kann. Doch bevor es soweit ist, versucht Rocko es erstmal mit Heavy Metal, weil die Lederklamottenträger so verdammt cool rüberkommen. Man muss kein Punkfan sein, um das kurzweilige Buch zu mögen, sollte aber auch keine allzu filigrane Sprache erwarten.

The Dirt - Mötley CrüeMötley Crüe und Neil Strauss – The Dirt
Das Standardwerk der Exzesse. Der einzig wahre Sex, Drugs Rock & Roll-Klassiker. Und man muss nicht einmal Mötley Crüe-Fan sein, um dieses Buch mit einer Mischung aus Faszination und Schockstarre zu lesen, ohne aufhören zu können.
An dieser Stelle eine ernste Warnung: Liebe Kinder, wenn ihr den Glauben an das Gute, Schöne und Romantische im Rockstar-Leben nicht verlieren wollt, lasst um Himmels Willen die Finger von dem Buch! Mir haben sich da ein paar Bilder in den Kopf eingebrannt, die … ach lassen wir das.
Diese Bandbiographie nimmt einen mit von den Anfängen bis nach ganz, ganz, GANZ unten, wo es krank, pervers, eklig, sexistisch und rücksichtslos zugeht. In Sachen Exzessen hat Mötley Crüe Maßstäbe gesetzt, da kann sich sogar Ozzy eine Scheibe abschneiden, und Neil Strauss hat das Ganze in sehr unterhaltsame, abwechslungsreiche Worte gepackt.
(Am Rande: Bei Amazon ist das Buch gerade Bestseller No. 1 in der Geschichte des Jazz- und Blues … WTF? Jazz???)

Death Punch'd - Jeremy SpencerJeremy Spencer – Death Punch’d (Surviving Five Finger Death Punch’s Metal Mayhem)
Leider nur auf Englisch erhältlich. Aber Jeremy Spencer, Drummer der erfolgreichen Heavy Metal-Band Five Finger Death Punch und Selfie-Rampensau, beschreibt herrlich selbstironisch, dass er sich ein großes Beispiel an Nikki Sixx genommen und den Traum vom wilden Rockstar-Leben ordentlich durchgelebt hat. Nebenher darf man eine coole Band auf ihrem zielstrebigen Weg nach oben begleiten, erfährt, dass Jeremy eine Fuß-Phobie hatte (reichlich fatal für einen Double-Bass Drummer), dass Sänger Ivan Moody seine Gastgeschenke gern mal von einem Einbruch im Nebenhaus mitbringt und dass die harten, tätowierten Jungs mit einem kreischpinkfarbenen Bus auf Tour gegangen sind, weil das Geld nicht für den schicken schwarzen Nightliner reichte.
Wer “the Dirt” gelesen hat, wird mit dieser Lektüre nahtlos anknüpfen können und danach wissen, dass Rock & Roll niemals stirbt.

Die Lehmann-Trilogie - Sve RegenerSven Regener – Die Lehmann-Trilogie
Der Sänger und Texter von Element of Crime hat “Herr Lehmann” geschrieben. Das Buch wurde ein Bestseller und verfilmt und wahrscheinlich kennt es jeder. Egal. Herr Lehmann heißt eigentlich Frank und driftet durch das Kreuzberg der Spätachtziger. Das Buch ist eigentlich eine Kneipentour durch Herrn Lehmanns Dasein, eine bohemienhafte Milieustudie. “Der Rest wird sich schon irgendwie ergeben.” Hat er auch, der Rest. Es gibt zwei weitere Teile: “Neue Vahr Süd” und “Der kleine Bruder”. Und jetzt kann man alle drei Teile als Kindle-Sammelband erwerben. Das wollte ich nur mal erwähnen. Die Lehmann-Trilogie ist kein Musikbuch als solches, aber sie wurde von einem Musiker geschrieben. Und irgendwie haben Musiker eine sehr besondere, harmonische Schreibsprache, die sich dauerhaft einprägt. Und sie zaubern ein interessantes Kopfkino.

Dancing with myself - Billy IdolBilly Idol – Dancing with myself
Hach, der Billy! Ich sag nur “White Wedding”.
Billy Idol ist der einzig wahre Popstar der Punkgeneration und er hat es verdammt noch mal ordentlich krachen lassen in seiner Karriere. Er nahm weder auf sich noch auf andere Rücksicht, lebte seine Drogen- und Sexexzesse bis zum Anschlag aus und mehr als einmal fragt man sich während der Lektüre, wieso der Kerl überhaupt noch lebt. Billy erzählt schnörkellos und gnadenlos ehrlich, schön ironisch, aber erstaunlicherweise niemals niveaulos. Und da er selbst erzählt, wissen wir auch, dass er doch noch die Kurve gekriegt hat. 60 Jahre alt ist er auf dem Cover, meine Güte! Andere sehen mit 30 schon schlimmer aus und hatten ein erheblich unspektakuläreres Leben.

Bannsänger - Alan Dean FosterAlan Dean Foster – Der Bannsänger-Zyklus
Musik und waschechte Fantasy – das haben wir doch eher selten. Den “Bannsänger” habe ich 1998 in die Finger bekommen und innig geliebt. 2005 wurde er wieder aufgelegt und ist heuer im neuen Gewand in Antiquariaten und Marketplaces erhältlich.
Jon-Tom, bekiffter Student und semi-talentierter Hobby-Gitarrist, landet aufgrund übermäßigen Genusses bewusstseinserweiternder Substanzen in einer fantastischen Welt, in der die Menschen nur eine von vielen intelligenten Spezies sind. Ein 1,20 Meter großer Otter mit losem Mundwerk und schlechten Manieren wird Jon-Toms bester Freund und Mentor. Zudem stellt Jon-Tom fest, dass er mit seiner Musik Magie bewirken kann – aber nicht so richtig. Mehr als einmal enden seine Beschwörungen in Katastrophen und erfordern rasche Improvisation oder Flucht. Herrlich komisch, klasse fantastisch! Und außerdem erfahren wir, welche Probleme sich im Zusammenleben mit übergroßen, intelligenten Tieren ergeben können. Für Fantasy-Freunde eine Perle!

Fleisch ist mein Gemüse - Heinz StrunkHeinz Strunk – Fleisch ist mein Gemüse
Der Untertitel “Eine Landjugend mit Musik” trifft es nicht ganz, denn der talentierte Saxophonist Heinz ist schon 23, wohnt immer noch bei Muttern, hat Akne und träumt von der großen Musikerkarriere mit willigen Groupies. Doch statt Sex, Drugs und Rock & Roll gibt es nur romantische Techtelmechtel mit der eigenen rechten Hand und Auftritte auf Schützenfesten in Moorwerder, bei denen grauenerregende Perlen der Schlagermusik zum Bandrepertoire gehören. Beim Lesen war ich mir nie ganz sicher, ob ich nun tiefstes Mitleid mit Heinz haben oder mich an dem großartig absurden, zynischen Humor des Buches erfreuen sollte. “Immer geil abliefern” lautet das Motto der Tiffanys – und das schafft das Buch auch. Ein erfrischend deprimierender Roman über eine gescheiterte Musikerkarriere.

NickHigh Fidelity - Nick Hornby Hornby – High Fidelity
Ein Roman über Popmusik und die eigenartige Beziehung von Männern zu Schallplatten – damit wäre schon alles gesagt. Rob, ein liebenswerter Loser und Besitzer eines schlecht gehenden Plattenladens, wird von seiner Freundin verlassen, sortiert erstmal seine Plattensammlung und stellt anschließend eines Top 5-Liste seiner ärgsten Liebeskummererlebnisse auf. Er besucht seine Ex-Freundinnen zwecks Vergangenheitsbewältigung und verweigert Menschen, die weniger als 500 Vinylplatten besitzen, jeglichen Respekt. Okay, Sex- und Drogenexzesse sucht man in dem Buch vergeblich, dafür bekommt man viel Popkultur der Siebziger und Achtziger und einen kultigen Roman. Oder man guckt die gelungene Verfilmung mit John Cusack und hört sich anschließend den Soundtrack nochmal an.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen