Derzeitiger Aggregatzustand der Autorin: Schockgefroren.
Eigentlich wollte ich heute einen schönen launigen Artikel über die Frankfurter Buchmesse schreiben, immer noch leicht beduselt, in Anekdoten schwelgend und an tolle Begegnungen zurückdenkend. Anschließend wollte ich euch erzählen, wie ihr an die schicken Tassen, Kühlschrankmagnete, Patches, Buttons und Co herankommt. Ich habe da nämlich so eine tolle Aktion geplant, die …
Wenn du heute Scheißlaune hast, solltest du an dieser Stelle die Lektüre abbrechen. Es folgt nämlich Gejammer.
Stell dir vor, du bist Inhaber eines kleinen Restaurants. Inhaber, Koch, Kellnerin, Putze und Buchhalter in einer Person. Du liebst das Kochen. Du liebst es, Menschen mit deinen Gerichten glücklich und satt zu machen. Morgens um vier kaufst du massenhaft frische Zutaten auf dem Großmarkt und wuselst den ganzen Tag in der Küche herum, wischst dir Soßentropfen von der Wange und kannst die abendliche Eröffnung kaum abwarten.
Die Gäste kommen. Es sind viele, viele Gäste und sie ordern fleißig. Alle loben deine Mahlzeiten. „Das Beste, was du je auf den Tisch gebracht hast“, sagen sie. Du bist überglücklich und tischst zum Dank Desserts auf Kosten des Hauses auf. „Kann ich ein Sahnehäubchen bekommen?“, fragt ein Gast, „und dazu diese leckeren belgischen Pralinen?“ Ein anderer hätte gerne einen Espresso zum Dessert. Kein Problem.
Dann steht der Großteil deiner Gäste auf und geht.
„Hallo, Sie müssen doch noch bezahlen!“, rufst du ihnen nach.
Die Leute drehen sich auf der Schwelle um und tauschen beredte Blicke aus. „Denkt die grenzdebile Nuss allen Ernstes, wir würden für unser Essen bezahlen?“, sagt einer.
Ein anderer Gast lächelt spöttisch. „Wir sind smart. Wir zahlen nicht unsere Mahlzeiten. Essen ist ein Grundrecht und so. Und außerdem ist es nur Essen.“
„Aber …“, du ringst die Hände. „Ich muss doch die Stromrechnung und die Pacht … und wie soll ich Zutaten kaufen?“
„Wenn du unbedingt Kohle verdienen willst, dann werde Supermarktkassiererin“, brummt jemand.
„Geldgeil ist sie auch noch“, wispert ein anderer. „Von wegen: Ich liebe das Kochen. Miese Kapitalistenseele!“
„Aber das Essen war echt gut“, sagt der erste.
„Jepp, war gut.“ Nummer zwo mustert dich. „Hör mal, du grenzdebile Nuss, was steht denn morgen auf deiner Speisekarte? Ich mag Straußensteaks, nur so als Hinweis.“
An diesem Abend rufen sehr wenige Gäste nach der Rechnung und zücken ihre Börse. Nachdem du die Tür hinter dem letzten Gast geschlossen und das Licht gelöscht hast, wirfst du einen flüchtigen Blick zur Kasse. Du musst nicht nicht hineinschauen, um zu wissen, dass ein Kassiererjob im Discounter vielleicht doch nicht so utopisch ist.
Als Brother’s Keeper konkrete Züge annahm, häuften sich Nachrichten mit dem Inhalt: „Wann zum Deibel ist es denn endlich so weit, Frautorin? Ich will nicht mehr warten!“
Das Buch wurde sehr, sehr dick. Die neunhundertsechsundachtzig Seiten wurden in meiner persönlichen Rekordzeit von knapp fünf Monaten geplottet, geschrieben, überarbeitet, noch mal … undsoweiter. Ich verlor diverse Gehirnzellen und meine Mutter hat vergessen, dass es mich gibt. Als ich letzte Woche endlich mal wieder zum Friseur ging, sagte man mir, dass man keine Yaks frisiere.
Das Buch wurde veröffentlicht und bisher lautet die einhellige – übrigens auch meine – Meinung: Der dritte Band der Bullhead MC-Serie ist der bisher beste! Ich bekomme viele tolle eMails, Rezensionen, Postkarten und sogar handgeschriebene Briefe. Hachz!
Seltsamerweise hat Brother’s Keeper weitaus weniger Amazon-Rezensionen als die Vorgängerbände … aber dazu später.
Die Leser erwarten natürlich einen vierten, fünften, sechsten Teil – nicht zu Unrecht. Viele spekulieren, wie es weitergehen könnte, oder sie machen mir konkrete Vorschläge, über wen ich als Nächstes schreiben sollte.
Weil ich mich so sehr über das positive Feedback freue und etwas an meine Leser zurückgeben möchte, lasse ich diesmal richtig viele richtig schöne Goodies produzieren. Den Großteil davon gebe ich wie üblich für Omme heraus. Maximal ein frankierter Rückumschlag ist notwendig, um an signierte Lesezeichen, Postkarten, Sticker zu kommen. Nicht wenige Leser fügen ihrem Briefumschlag noch eine Notiz bei, in der steht: „Bitte packe alle Goodies zwei- oder dreifach in den Umschlag, für meine Freundinnen. Und lege doch noch ein paar Patches, Buttons, Kulis und gerne auch eine Tasse bei.“ So ein mit siebzig Cent frankierter Standardbrief darf maximal 20 Gramm wiegen. Die Post wiegt nach (Im Ernst, das tut sie! Muss an meiner Yak-Frisur liegen). Wenn der Brief 21 Gramm auf die Waage bringt, werde ich draußen vorm Postamt an so einen gelben Briefkasten gekettet und muss zur Strafe zehn Jahre lang öffentlich Briefmarken anlecken.
Na und? Wenn der Brief schwerer ist, kann die Autorin doch nachfrankieren, da soll sie sich mal nicht so anstellen.
Das eBook wurde gleich nach der Veröffentlichung von einigen Lesern gekauft, die es kurz darauf – ohne es zu öffnen – gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgaben. Es handelte sich nicht um Fehlkäufe. Das eBook wurde kopiert, in ein anderes Format umgewandelt und an Amazon zurückgeschickt.
Zwei Tage nach Veröffentlichung, am 02. Oktober, brach der Verkauf von Brother’s Keeper um 80% ein.
Grund: An ebendiesem Tag ist das eBook auf sämtliche einschlägigen eBook-Piraterieportale hochgeladen worden, wo man es umsonst downloaden konnte. Das Anti Piracy-Unternehmen, das für mich Raubkopien meiner Bücher im Netz aufstöbert, verfolgt diese Uploads seit drei Wochen. Täglich veranlasst es die Löschung, täglich werden neue Kopien hochgeladen. Katz und Maus.
Brother’s Keeper wurde auf einer Piraterieseite in kürzester Zeit etwa 3.500mal heruntergeladen, auf einer anderen Seite knapp 5000mal, auf der nächsten Seite …
An dieser Stelle habe ich den Rechner ausgeschaltet und bin heulend ins Bett gekrochen.
Wer Bücher schreibt und veröffentlicht, lebt zwangsläufig mit der bitteren Erkenntnis, dass eine bestimmte Gattung Mensch nicht bereit ist, für digitale Inhalte zu bezahlen, scheiß drauf, ob Schweiß, Blut, Tränen und eine Yak-ähnliche Frisur in der Erschaffung stecken. Eine Tankfüllung fürs freitagabendliche Herumcruisen im Kneipenviertel darf Geld kosten, eine Markenjeans, die in Pakistan von kleinen Kindern zusammengeklöppelt wurde, darf viel Geld kosten (es steht ja ein geiler Markenname darauf), ein Energydrink mit Gummibärgeschmack darf Geld kosten. Aber bei Bits und Bytes hört der Spaß auf, bitteschön. Wir sind ja alle smart. Wir zahlen nicht für Dinge, die wir nicht anfassen können. Wo kämen wir hin?
Es ist für mich nichts Neues, dass gestohlene Kopien meiner Bücher regelmäßig im Netz verbreitet werden. Damit muss ich leben. Klappte bisher ganz gut. Ich tu einfach so, als wäre ich smart und als wäre es mir schnuppe, dass ich wie ein Yak aussehe.
Doch diese Erfahrung hier ist ein saftiger Schlag in die Fresse.
Zwei von drei Lesern haben mich bestohlen. Somit hat mir der überwiegende Teil meiner Leserschaft deutlich gezeigt, was ihnen meine Arbeit wert ist. Nuscht. Null. Nada.
Man könnte jetzt argumentieren, dass diejenigen, die illegale eBooks herunterladen, es sowieso nie kaufen würden, aber das stimmt nicht. Ich habe die Verkaufskurve hier vor mir liegen. Ich weiß, wie die Verkaufskurven der Vorgängerbände aussehen. Ich kann Vergleiche anstellen zu jetzt und damals. Beim dritten Band haben viele Leser entschieden, dass sie ihn gefälligst umsonst haben möchten. Schließlich haben sie die beiden ersten redlich erworben, das muss reichen.
Es ist kein Geheimnis, dass andere, teils sehr bekannte Autoren eine ähnliche bittere Erkenntnis zu verdauen haben. Wer vom Schreiben lebt, gerät spätestens jetzt ins Grübeln.
Warum Menschen willentlich andere Menschen bestehlen oder ihnen sonstwie vorsätzlich Schaden zufügen, wird wohl nie geklärt werden. Vielleicht ist es eine Art von Ich bin schlauer als du!-Gefühl oder das moderne Nach mir die Sintflut-Denken, das uns von denen da oben, die Steuerhinterziehung und Angestelltenausbeutung zur Kunst erhoben haben, täglich vorgelebt wird. Was die können, kann ich schon lange, denken Downloader vielleicht. Ich beklau heute mal einen Musiker, einen Fotografen oder einen Autoren. Die können ihre Kunst ebensogut als Hobby betreiben, also soll’nse nicht jammern, die Vollpfosten. Es zwingt sie ja keiner, ihre Werke an die Öffentlichkeit zu bringen, also: Selbst schuld.
Schreibzeit – das ist die Zeit, in der ein Autor über Monate hinweg täglich, oft auch nächtlich, daran arbeitet, seine Kopfgeburt real werden zu lassen. Er guckt nicht auf die Uhr und auch nicht in den Spiegel. Er vergisst Familie, Freunde, gesunde Ernährung und leidet an Vitamin B-Mangel, weil er sich in seiner Schreibklause verbarrikadiert, bis das Buch fertig oder der Verstand zu Grießbrei geworden ist. In dieser Zeit kämmt er sich nicht und verdient logischerweise kein Geld – es sei denn, er heißt Sebastian Fitzek und hat einen schönen fetten Verlagsvorschuss für seinen nächsten Roman überwiesen bekommen, damit er sich Vitamin D-Pillen kaufen kann. Leider heiße ich nicht Fitzek, sondern Catalina Die-grenzdebile-Nuss-Cudd.
Erschreckend viele Menschen waren (und sind) nicht bereit, für Brother’s Keeper zu zahlen. In Foren und teils sogar auf Facebook liest man Posts wie: „Weiß jemand, wo ich das neue Buch von der grenzdebilen Cuddy kostenlos downloaden kann? Ihr wisst schon, diese Autorin, die aussieht wie ein Yak?“
„No Problem, guckstu hier.“ Es folgt ein Link.
„Vielen Dank für den Link. Ich LIEBE die Bullheads!“
Man lädt sich eine Kopie herunter, amüsiert sich ein Weilchen damit und zieht sich anschließend das neue Album von Archive. Den kleinen pechschwarzen Fleck auf seiner Seele übersieht der Downloader geflissentlich. Ihm ist klar, dass der Fleck nie wieder verschwindet, aber das juckt ihn nicht. Es weiß ja niemand, dass er sich eine illegale Kopie gezogen hat. Macht sowieso jeder. Hauptsache, man hat ein paar Euronen gespart. Für die Kohle kann man sich ein, zwei bunte Energydrink-Dosen kaufen.
Was würde wohl mit dem nächsten und übernächsten Band aus der Bullhead MC-Serie geschehen, sobald ich ihn veröffentliche?
Naaa, hat jemand eine Ahnung?
Genau.
Und jetzt interessiert es mich, was ihr an meiner Stelle tun würdet.